• 17.8.2016

Größere Artenvielfalt in Wiesen führt zu umfangreicheren Dienstleistungen der Ökosysteme

Blühende Wiesen zum Wohl des Menschen

Je mehr es krabbelt, kreucht und fleucht, desto besser für den Menschen. Das ist das Ergebnis einer in „Nature“ erschienenen Studie. Ein artenreiches und von vielen Individuen aus allen Ebenen der Nahrungskette bevölkertes Ökosystem erbringt die umfangreichsten Ökosystemdienstleistungen, so der Tenor der Arbeit von über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Mitwirken der Technischen Universität München (TUM). Besonders wichtig sei die Vielfalt der beim Menschen eher unbeliebten Insekten und Bodenorganismen.

Eine blühende Wiese bietet neben dem ästhetischen Wert auch noch täglich handfeste, kostenlose Dienstleistungen für den Menschen. (Foto: Fotolia/ J. Fälchle)
Eine blühende Wiese bietet neben dem ästhetischen Wert auch noch täglich handfeste, kostenlose Dienstleistungen für den Menschen. (Foto: Fotolia/ J. Fälchle)

Eine blühende Wiese – neben dem ästhetischen Wert eines Ökosystems erbringt die Natur täglich handfeste, kostenlose Dienstleistungen für den Menschen: Dazu zählen unterstützende Leistungen wie beispielsweise die Bodenbildung oder auch die Versorgungsleistungen wie die für die Lebensmittelproduktion, Regulierungsleistungen wie etwa die Schädlingsbekämpfung und Klimaregulierung sowie kulturelle Leistungen wie beispielweise der Nutzen von Ökosystemen als Erholungsräume. Solche komplexen Ökosysteme setzen sich aus verschiedenen sogenannten trophischen Gruppen respektive Gliedern in der Nahrungskette zusammen. Welchen Einfluss die schwindende Artenvielfalt auf die Ökodienstleistungen hat, wurde bislang lediglich anhand einzelner leicht zu untersuchender trophischer Gruppen wie Pflanzen studiert.

Ein 300-köpfiges internationales Forscherteam um Dr. Santiago Soliveres von der Universität Bern hat daher erstmals alle Gruppen entlang einer Nahrungskette in einer natürlichen Graslandschaft untersucht. Sie sammelten dazu Daten zu insgesamt 4600 Tier- und Pflanzenarten aus neun Gruppen der Nahrungskette; darunter auch zu bislang eher vernachlässigten Arten wie Mikroorganismen, die den Boden zersetzen und Abfallfressern wie Regenwürmern. „Die Daten sind als Teil eines von der Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Programms auf 150 Grünlandflächen quer durch Deutschland erhoben worden, den „Biodiversitätsexploratorien““, erklärt Professor Wolfgang Weisser vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TUM – „es sind die wohl die umfassendsten ökologischen Freilandversuchsflächen Europas.“

Artenvielfalt innerhalb aller trophischer Gruppen notwendig

„Wie bei einem Puzzle haben wir uns ein zusammenhängendes Bild davon gemacht, wie bedeutsam einzelne trophische Gruppen für vierzehn von uns gemessene Ökosystemdienstleistungen sind. Jede Ökosystemdienstleistung ist demnach von mindestens drei Gruppen abhängig. Je vielfältiger die Arten innerhalb der Gruppe, desto zuverlässiger wird die Ökosystemdienstleistung erbracht. Außerdem beeinflusst jede einzelne Gruppe zumindest eine Ökosystemdienstleistung“, fasst wiederum Soliveres, Erstautor der Studie, die Ergebnisse zusammen.

Dr. Peter Manning vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum ergänzt: „Wir müssen folglich Artenreichtum in mindestens drei der untersuchten Gruppen der Nahrungskette sicherstellen. Es sind aber nicht immer die gleichen drei Gruppen, die für das Funktionieren einer individuellen Ökosystemdienstleitung maßgeblich sind. Deshalb muss der Artenreichtum in allen Gruppen der Nahrungskette erhalten bleiben, damit die Natur zuverlässig weiter für uns im Verborgenen ‚arbeitet‘ wie wir es gewohnt sind.“ Hohe Artenvielfalt über alle Gruppen hinweg ist besonders wichtig für regulierende Prozesse sowie kulturelle Dienstleistungen.

Die Wichtigkeit von „Schädlingen“ und Multi-Diversität

„Wie wichtig vermeintliche Schädlinge und unscheinbare Dienstleister sind wie etwa verschiedene Insekten oder Bodenorganismen, das zeigt die große Studie auch“, sagt Professor Weisser von der TU München – „die spielen nämlich neben den Pflanzen eine zentrale Rolle bei den natürlichen Ökosystemleistungen.“ Weisser und sein Team haben erstmals Daten zu verschiedenen Insekten wie etwa Heuschrecken, Wanzen, Käfer oder Spinnen zur Verfügung gestellt. „Wichtigste Erkenntnis dabei war, dass die Studie nicht nur zeigt, dass einzelne Arten erhalten werden müssen, sondern mehrere – wir brauchen die so genannte Multi-Diversität“, sagt Dr. Martin Gossner von der TUM.

Erstautor Soliveres ergänzt, dass Pflanzen Biomasse liefern, die den Anfang der Nahrungskette bildeten, während Insekten als Bestäuber wirkten. Während wiederum Bodenorganismen durch Zersetzung und Rückhalt von chemischen Elementen wie Phosphor die Bodenfruchtbarkeit erhöhten. „Je mehr und je unterschiedlichere Individuen es besonders innerhalb dieser drei Gruppen gibt, desto positiver wirkt sich das auf alle Dienstleistungen aus“, erklärt Soliveres.

Häufig wird der Boden gedüngt, um die Bodenfruchtbarkeit und damit das Wachstum von Pflanzen zu erhöhen. Kurzfristig hilft Dünger zwar, wenn dabei aber die Artenvielfalt verringert wird, überwiegen die Nachteile. Eine hohe Artenvielfalt entlang der gesamten Nahrungskette zu erhalten, ist langfristig gesehen daher preiswerter und sinnvoller, als sie zu zerstören.

Biologische Vielfalt für Ökosystemdienstleistungen wurde unterschätzt

„Wenn biologische Vielfalt rapide zerstört wird, welche Konsequenzen hat das für die Menschen? Welche Handlungsoptionen gibt es? Das ist bisher nicht umfassend genug erforscht und einer der Gründe, warum der internationale Biodiversitätsrat IPBES gegründet wurde“, führt Professor Markus Fischer, Leiter des Forschungsprojektes vom Institut für Pflanzenwissenschaft der Universität Bern und Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum aus.

Die beispielhafte Studie zeige auch, dass in der bisherigen Forschung, die nur auf einzelne trophische Gruppen fokussierte, die Bedeutung biologischer Vielfalt über alle Gruppen einer Nahrungskette hinweg unterschätzt worden sei: „Unser umfassendes Forschungsprogramm demonstriert, wie wichtig es ist, den Gesamtzusammenhang zu untersuchen und dass Handlungsbedarf zum Schutz der Ökosysteme besteht“, resümiert Fischer.

Publikation:

Soliveres et al.: Biodiversity at multiple trophic levels is needed for ecosystem multifunctionality. Nature, 17. August 2016, DOI 10.1038/nature19092. 

Kontakt: 

Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser
Technische Universität München
Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie
Tel.: +49 8161 71-3496
wolfgang.weisserspam prevention@tum.de
www.toek.wzw.tum.de

Technische Universität München

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