• 12.12.2024
  • Lesezeit: 2 Min.

Modifizierte T-Zellen, um das Immunsystem zu regulieren

Wie sich die Immunantwort gezielt und lokal steuern lässt

Ob bei Diabetes Typ 1, anderen Autoimmunerkrankungen oder Organtransplantationen – wenn das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gerät, wird es gefährlich. Statt daraufhin jedoch das gesamte System zu unterdrücken und starke Nebenwirkungen zu riskieren, wäre eine gezielte und lokale Regulierung wünschenswert. Genau dafür haben Forschende nun genetisch veränderte Immunzellen hergestellt.

Prof. Matthias Hebrok, Professor für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme an der TUM und Direktor des TUM Center for Organoid Systems Andreas Heddergott / TUM
Prof. Matthias Hebrok, Professor für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme an der TUM und Direktor des TUM Center for Organoid Systems

Das Immunsystem schützt uns vor Viren, Bakterien und anderen Gefahren. Es unterscheidet dafür zwischen körpereigenen und fremden Zellen, entscheidet was gefährlich ist, und richtet die Immunantwort danach aus. Gerät es jedoch aus dem Gleichgewicht, kann es den eigenen Körper angreifen - wie bei Diabetes Typ 1, wo es die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Bei Transplantationen besteht die Gefahr, dass es fremdes Gewebe abstößt. Unterdrückt man daraufhin das gesamte Immunsystem, birgt dies jedoch schwerwiegende gesundheitliche Risiken wie eine erhöhte Infektionsanfälligkeit und Krebserkrankungen.

Das Forschungsteam hat nun regulierende Immunzellen hergestellt, die eine übermäßige Immunreaktion lokal dämpfen und gezielt gesunde Körperzellen schützen: Sie erkennen diese anhand von Antigenen und verhindern, dass T-Killerzellen sie zerstören.  Damit könnte die Technologie auch helfen, Abstoßungsreaktionen bei Transplantationen zu verhindern, sodass Patientinnen und Patienten keine starken Immunsuppressiva mehr einnehmen müssten.

Die Arbeit fand an der UC San Francisco (UCSF) statt, mit maßgeblicher Beteiligung von Matthias Hebrok, Professor für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme an der Technischen Universität München (TUM), und Dr. Hasna Maachi, Forscherin an der TUM und bei Helmholtz Munich. Veröffentlicht wurde die Studie im Fachjournal Science.

„Diese Technologie kann das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht bringen“, sagte Wendell Lim, Professor für zelluläre und molekulare Pharmakologie an der UCSF. “Wir sehen darin eine potenzielle Plattform zur Bekämpfung aller Arten von gestörter Immunfunktion.“

Um die veränderten Immunzellen herzustellen, verwenden die Forschenden den gleichen Zelltyp wie bei sogenannten CAR-T-Zell-Immuntherapien, wo sie gezielt gegen Tumorzellen ausgestatte werden. Die modifizierten regulierenden Immunzellen sind dagegen so konzipiert, dass sie gesunde Zellen schützen. Sie produzieren eine Kombination aus Proteinen, die die sich beim Screening als besonders effektiv für die Regulation erwiesen hat: Eines wirkt entzündungshemmend, das andere fängt entzündungsfördernde Substanzen ab. Das Zellsystem lässt sich flexibel für verschiedene Anwendungsfälle anpassen.

Das Ziel: Schutz von Betazellen bei Diabetes Typ 1

Um für die Anwendung für Diabetes Typ 1 zu testen, haben die Forschenden die Zellen so verändert, dass sie menschliche Betazellen erkennen und schützen. In Versuchen mit Mäusen war dies bereits erfolgreich: Transplantierte menschliche Betazellen, die durch die modifizierten Zellen geschützt wurden, überlebten und produzierten weiterhin Insulin. Im Gegensatz dazu wurden transplantierte Zellen zerstört, wenn sie ohne die schützenden T-Zellen eingesetzt wurden.

Die Autorinnen und Autoren stellen sich eine Zukunft vor, in der Menschen mit Autoimmunerkrankungen oder Organtransplantationen Therapien erhalten, die gezielt nur die Körperregionen behandeln, wo das Immunsystem nicht richtig funktioniert, statt das gesamte System abzuschalten. Das könnte die erheblichen Nebenwirkungen verhindern, die bei allgemeinen Immunsuppressiva auftreten können. Die neue Technologie könnte auch zur Feinabstimmung von CAR-T-Zelltherapien bei Krebs eingesetzt werden, sodass diese Zellen nur Tumore und kein gesundes Gewebe angreifen.

Immunreaktionen zu modulieren und die Eigenschaften von aus Stammzellen gewonnenen Geweben weiter zu optimieren, ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung langlebiger Stammzelltherapien – ein klares Ziel für die Organoid-Forschung am neuen TUM Center for Organoid Systems (COS).

Publikationen

Nishith R. Reddy, Hasna Maachi, Yini Xiao, Milos S. Simic, Wei Yu, Yurie Tonai, Daniela A. Cabanillas, Ella Serrano-Wu, Philip T. Pauerstein, Whitney Tamaki, Greg M. Allen, Audrey V. Parent, Matthias Hebrok, Wendell A. Lim: Engineering synthetic suppressor T cells that execute locally targeted immunoprotective programs, Science  (December 2024). DOI: 10.1126/science.adl4793

Weitere Informationen und Links
  • Prof. Matthias Hebrok ist Direktor des neuen TUM Center for Organoidsystems (COS). Die Organoidforschung ist ein Schwerpunkt an der TUM. Mit dem Bau des COS am Forschungszentrum Garching soll ein in Europa einzigartiges Zentrum entstehen, bei dem die einmaligen Bedingungen der TUM und ihres Klinikums genutzt werden, um diese Technologie in die medizinisch-klinische Anwendung zu bringen.
  • Prof. Matthias Hebrok forscht am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE), einem Integrativen Forschungsinstitut der TUM. Am MIBE entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Informatik gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen dabei von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen.
  • Die Professur für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme gehört zur TUM School of Medicine and Health.
  • Das Projekt wurde gefördert von: National Institutes of Health, National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases, Valhalla Foundation

 

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Matthias Hebrok
Technische Universität München
Professur für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme
matthias.hebrok@tum.de

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