EU-Förderung für Projekte zu Medizin, Weltraumerkundung, Software und Biomaterialien

Neun ERC Starting Grants für Forschende der TUM

Der Europäische Forschungsrat fördert künftig neun weitere Projekte von Forschenden an der Technischen Universität München (TUM) mit ERC Starting Grants. Die geförderten Vorhaben zeigen dieses Jahr die Stärke der interdisziplinären Forschung zu Medizin- und Gesundheitsthemen an der TUM: Sechs der Projekte widmen sich Fragen aus diesem Gebiet. Neben den Starting Grants wurde auch ein ERC Proof of Concept Grant vergeben.

Ein Nanoroboter (orange) im Labor von Prof. Berna Özkale Edelmann Astrid Eckert / TUM
Ein Nanoroboter (orange) im Labor von Prof. Berna Özkale Edelmann. Mit solchen winzigen Robotern und sogenannten smarten Mikrogelen will die Wissenschaftlerin die Entwicklung von Stammzellen beeinflussen. Dieses und acht weitere Forschungsprojekte werden künftig mit ERC Starting Grants gefördert.

Forschende der TUM haben insgesamt bereits 226 der angesehenen ERC Grants erhalten. Diese werden jährlich in verschiedenen Kategorien vergeben. Starting Grants richten sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich am Anfang ihrer Karriere befinden und sind mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotiert. Zusätzlich wird ein weiteres Projekt mit einem Proof of Concept Grant unterstützt, der an Forschende vergeben wird, die das Potenzial ihrer ERC-Forschungsprojekte für marktfähige Innovationen prüfen möchten.

Prof. Dr. Wenwen Fang

Cellulose ist das am häufigsten vorkommende Biopolymer der Erde und bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, etwa als Verpackungsmaterial oder als Textil. Da Cellulose jedoch nicht schmilzt, kann sie bislang nur bedingt in der Massenproduktion genutzt werden. Ursache hierfür sind molekulare Verbindungen des Rohstoffs: Ab einer Temperatur zwischen 240 und 350 Grad Celsius zersetzt sich die Cellulose und lässt sich nicht mehr wie gewünscht bearbeiten. Hier setzt das Projekt „LaserCell“ an. Mit Infrarot-Lasern sollen die chemischen Verbindungen durch Photonen-Energie aufgebrochen werden. Die Forschenden versprechen sich hiervon nicht nur Erkenntnisse über Cellulose und ein neues Verfahren zur Bearbeitung des vielversprechenden, nachhaltigen Rohstoffs, sondern grundsätzliches Wissen über supramolekulare Strukturen und Dynamiken bei Biomaterialien.

Wenwen Fang leitet seit September 2024 den Lehrstuhl Partikel- und Fasertechnologie für biobasierte Materialien am TUM Campus Straubing.

Dr. Amelia Fiske

Ungeachtet ihres Potenzials verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) Ungleichheiten zwischen Personengruppen und hat weitere negative Auswirkungen. Beispiele sind Diskriminierung, die in das Training von KI-Software einfließt, aber auch ein hoher Ressourcenverbrauch und ausbeuterische Praktiken bei der Aufbereitung von Trainingsdaten. In ihrem Projekt PARTIALJUSTICE, kurz für "participatory algorithmic justice" will Dr. Amelia Fiske gemeinsam mit betroffenen Gemeinschaften besser verstehen, welche Menschen und welche Güter durch KI Schaden erleiden und wie diese Nachteile ausgeglichen werden können. Ethnografische Feldstudien werden sich mit den Themen Grenzkontrollen in Europa, Public Health in Afrika und der Aufbereitung von Trainingsdaten in Lateinamerika beschäftigen. Ziel der Studie ist, den Bedürfnissen und Problemen der Menschen, die besonders negativ von KI betroffen sind, eine Stimme zu verleihen.

Amelia Fiske ist Senior Researcher am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der TUM.

Prof. Dr. Jana Giceva

Der Druck auf die bestehende Software-Infrastruktur nimmt weiter zu. Auf der einen Seite stehen das exponentielle Wachstum der Datenmengen und die Notwendigkeit, die Rechenzentren effizienter zu gestalten. Auf der anderen Seite hat die Hardware-Landschaft einen großen Spezialisierungsschub erfahren. Beides hat erhebliche Auswirkungen auf die Softwareentwicklung. Prof. Jana Giceva stellt sich diesen Herausforderungen in ihrem Projekt "Future-Proof Data Systems", indem sie mit einem ganzheitlichen Ansatz die Grundlagen für eine neue Software-Infrastruktur schafft. Sie schlägt einen speicherzentrierten Ansatz vor, der es ermöglicht, datenintensive Aufgaben auf moderner Hardware effizienter auszuführen und verschiedene Kompromisse hinsichtlich Leistung, Kosten und Ressourceneffizienz zu berücksichtigen. Um die Entwicklung zukunftssicherer Datensysteme zu erleichtern, sollen herkömmliche monolithische Software-Architekturen durch ein neuartiges Rahmenkonzept für die Optimierung und Kompilierung ersetzt werden. Darüber hinaus soll das Betriebssystem an die Weiterentwicklung moderner Hardware anpassbar sein.

Jana Giceva ist Professorin für Datenbanksysteme. Außerdem ist sie Kernmitglied des Munich Data Science Institute (MDSI).

Prof. Dr. Michael Laxy

Übergewicht und Adipositas führen zu erheblichen Belastungen und Kosten für Betroffene, Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften. Von einer Verringerung von Übergewicht in der Bevölkerung würden alle drei profitieren. Mit welchen politischen Maßnahmen sich das erreichen lässt, ist aber oftmals unklar. Im Projekt EcIMPACT will Prof. Michael Laxy erforschen, ob zwei Maßnahmen, die in einzelnen Ländern umgesetzt wurden, Ernährungsverhalten und Körpergewicht beeinflussen: eine Besteuerung von zuckergesüßten Getränken und die Beschränkung von Werbung für Junk-Food, die sich an Kinder richtet. Außerdem untersucht er die gesundheitlichen und sozio-ökonomischen Effekte, die sich durch die Prävention von Adipositas ergeben. Dazu kombiniert Laxy Methoden aus Ökonomie, Public Health und Epidemiologie und integriert die Ergebnisse seiner empirischen Analysen in Computermodelle, mit denen sich die Auswirkungen von Präventionsmaßnahmen über lange Zeiträume simulieren lassen.

Michael Laxy ist Professor für Public Health und Prävention.

Prof. Dr. Berna Özkale Edelman

Das Ziel von Prof. Berna Özkale Edelmann ist, Stammzellen in Herzzellen zu verwandeln und damit Menschen zu helfen, die unter den Folgen eines Herzinfarkts leiden. Für ihren Forschungsansatz nutzt die Professorin smarte Mikrogele. Sie arbeitet nicht mit originalen Stammzellen, die aus befruchteten Eizellen gewonnen werden, sondern so genannten induzierten pluripotenten Stamzellen (iPSC). Diese „Ersatzstammzellen“ werden aus Hautzellen gewonnen, die gentechnisch verändert wurden. Diese iPSC bringt Özkale Edelmann in eine Zellumgebung ein, die sie selbst geschaffen hat. Sie baut quasi die Lebensumgebung eines Herzens nach, mit dessen mechanischen und dynamischen Eigenschaften. Die Viskosität und andere Eigenschaften der Mikrogele können variiert und damit Einfluss auf die Ausdifferenzierung der Stammzellen genommen werden. Das passiert auf der so genannten µStemGel-Plattform, mit deren Hilfe sie herausfinden will, welche Signale dazu führen, aus einer Stammzelle eine Herzzelle zu machen.

Berna Özkale Edelmann ist Professorin für Nano- und Microrobotics und Mitglied des Munich Center for Machine Intelligence (MIRMI) und des Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE).

Prof. Dr. Philipp Reiss

In den vergangenen Jahrzehnten wurden durch Fernerkundung und die Analyse zurückgebrachter Proben wiederholt Hinweise für die Existenz von Wasser auf dem Mond gefunden. Da es bislang keine direkten Untersuchungen vor Ort gab, bleiben Fragen zu dessen Herkunft, Form und Verteilung offen. Prof. Philipp Reiss greift mit seinem Projekt VOLARIS diese Fragen auf. In einem neuartigen Modellierungs- und Versuchsansatz wird das Verhalten und Vorkommen von Wasser im Boden, auf der Oberfläche und in der Exosphäre, der dünnen Atmosphärenschicht des Mondes, untersucht. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die kombinierten physikalischen, chemischen und thermischen Prozesse, die das dynamische Verhalten von flüchtigem Wasser auf dem Mond bestimmen. Die Erkenntnisse sind maßgebend für künftige astronautische und robotische Missionen, denn Wasser ist nicht nur ein Lebensmittel, sondern kann durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff auch als Raketentreibstoff genutzt werden.

Philipp Reiss ist Professor für Lunare und Planetare Exploration.

Prof. Dr. Nicole Strittmatter

Krebsmedikamente verlieren bei einigen Tumorerkrankungen im Laufe der Behandlung ihre Wirksamkeit oder schlagen erst gar nicht an. Das ist insbesondere bei Bauchspeicheldrüsenkrebs oft der Fall. In ihrem Projekt CITE will Prof. Nicole Strittmatter untersuchen, ob ein Grund dafür im sogenannten Mikromillieu des Tumors liegt – dass also Zellen und Mikroben innerhalb des Tumors Medikamente unwirksam machen. Um diese zu beobachten ohne dass der restliche Körper den Abbau der Wirkstoffe beeinflusst, entwickeln Strittmatter und ihr Team neue Analysetechniken. Insbesondere mittels spezieller bildgebender Massenspektrometrie-Techniken will sie das Mikromilieu auf Zellebene kartografieren und Modelle entwickeln, um den Medikamentenstoffwechsel unter realistischen Bedingungen analysieren.

Nicole Strittmatter ist Professorin für Analytische Chemie.

Prof. Hristo Svilenov

Antimikrobielle Resistenzen sind weltweit ein Problem in der Human- und Veterinärmedizin, das sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen wird. Eine Hoffnung im Kampf gegen diese Resistenzen sind neue Biopharmaka, die auf natürlichen Proteinen basieren und gegen krankheitserregende Bakterien und Viren eingesetzt werden. Das Forschungsprojekt „PicoBody“ von Prof. Hristo Svilenov setzt hier an und fokussiert sich auf erst vor wenigen Jahren entdeckte Proteine, die sogenannten Picobodies. Picobodies sind Mini-Proteine, die im außergewöhnlichen Immunsystem von Kühen gebildet werden. Bislang sind die Grundlagen zur Funktion, Struktur und Produktion von Picobodies noch unbekannt. Ziel des Forschungs-Teams ist es, diese Grundlagen aufzuklären und eine Reihe moderner Zellkultur-Methoden zu etablieren, die das Fundament für die Entwicklung und Produktion biopharmazeutischer Anwendungen und neuer Antiinfektiva schaffen werden.

Prof. Hristo Svilenov ist seit September 2024 Professor für Biopharmaceutical Technology.

Dr. Sonja Wörmann

Bei mehr als 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs liegen Mutationen in einem bestimmten Gen vor. Diese lassen Krebszellen besonders unkontrolliert wachsen. Dementsprechend wird viel Hoffnung in Therapien gesetzt, die auf diese Mutationen abzielen. Leider sprechen die Therapien bislang nicht bei allen Betroffenen an, schlimmer noch: Teilweise lässt die Wirkung nach anfänglich vielversprechenden Ergebnissen nach. Im Projekt ADRIP will Dr. Sonja Wörmann untersuchen, warum es dazu kommt. Ihr besonderes Interesse gilt einem Enzym namens APOBEC3A, kurz A3A. In ersten Studien fand die Wissenschaftlerin Hinweise darauf, dass A3A nicht nur das Erbgut der Krebszellen verändert, sondern auch deren RNA. Dadurch könnten diese widerstandsfähiger und vielfältiger und somit schwerer behandelbar werden. Im Laufe der oben beschriebenen Therapien nimmt auch die Menge von A3A im Tumorgewebe zu. Sonja Wörmann will die genauen Wirkungsmechanismen von A3A untersuchen und Substanzen identifizieren, mit denen sich A3A regulieren lässt.

Dr. Sonja Wörmann ist Gruppenleiterin und Assistenzärztin an der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des TUM Universitätsklinikums.

Proof of Concept Grant: Prof. Rubén D. Costa

LED-Lampen sind energieeffizient und haben eine lange Lebensdauer. Meist werden für ihre Herstellung allerdings Seltene Erden genutzt – diese sind nicht unbegrenzt verfügbar und ihr Recycling ist anspruchsvoll. Eine biologische Alternative könnten LEDs sein, die auf fluoreszierenden Proteinen basieren. Solche LEDs hat Rubén D. Costa mit seinem Team entwickelt und in der Pflanzenzucht im Indoor Farming erprobt. Im Labor zeigen die Prototypen vielversprechende Ergebnisse. Welches Potenzial sie für die kommerzielle Nutzung im Indoor Farming haben, soll nun das Projekt CERES (Crop Efficient Red Emitting Sources) aufzeigen. Das ERC fördert CERES mit einem Proof of Concept Grant. Die Forschenden werden prüfen, welche Leistung die Lampen unter realen Arbeitsbedingungen erbringen und wie die für die LEDs benötigten Bestandteile und die Fertigung hochskaliert werden können. Darüber hinaus wird das Team eine Analyse von Lebenszyklus, Kosten und Umweltauswirkungen der Leuchten vornehmen.

Rubén D. Costa ist Inhaber des Lehrstuhls Biogene Funktionswertstoffe am TUM Campus Straubing und forscht am Munich Institute of Integrated Materials, Energy and Process Engineering (MEP). 2018 wurde bereits sein Forschungsprojekt InOutBioLight mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet.

 

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