Neurowissenschaften, Quantencomputer und Künstliche Intelligenz

Fünf ERC Consolidator Grants für Forschende der TUM

Ist es nach einem Schlaganfall möglich, das Gehirn durch elektrische Stimulation beim Wiedererlangen der Sprache zu unterstützen? Lassen sich mit generativer Künstlicher Intelligenz realistische 3D-Objekte erstellen? Lassen sich Qbits, die grundlegenden Recheneinheiten von Quantencomputern, mithilfe von Licht miteinander verschränken? Diese und andere Fragen wollen fünf Forschungsteams an der Technischen Universität München (TUM) mithilfe der renommierten ERC Consolidator Grants beantworten.

Prof. Simon Jacob (links) und Prof. Julijana Gjorgijeva Astrid Eckert / TUM
Prof. Simon Jacob und Prof. Julijana Gjorgijeva werden für ihre Forschungsprojekte aus den Neurowissenschaften künftig jeweils mit einem ERC Consolidator Grant gefördert. Auch drei weitere Forschende der TUM erhalten künftig die hochdotierten Grants.

Die Projekte werden durch den Europäischen Forschungsrat mit jeweils bis zu zwei Millionen Euro gefördert. Ein weiteres Projekt wird mit einem Proof of Concept Grant gefördert. Diese werden an Forschende vergeben, die das Potenzial ihrer ERC-Forschungsprojekte für marktfähige Innovationen prüfen möchten. Dadurch steigt die Zahl der ERC Grants an der TUM auf insgesamt 236. 

Prof. Dr. Julijana Gjorgjieva

Viele unserer alltäglichen Aktivitäten – wie das Lesen eines Buches in einem lauten Café oder das Spielen des Klaviers – beruhen auf Feedbackschleifen im Gehirn. Diese Schleifen ermöglichen es uns, aktuelle Sinneseindrücke mit zuvor gelernten Informationen aus höheren Gehirnregionen zu vergleichen. Trotz ihrer zentralen Bedeutung ist noch unklar, wie dieses Feedback im Gehirn umgesetzt wird. Im Projekt Feedback Circuits wird Prof. Julijana Gjorgjieva Theorien und Modelle entwickeln, um die Mechanismen zu untersuchen, die solchen Feedbackschleifen in einer spezifischen Gehirnregion namens Neokortex zugrunde liegen. Die Forschung wird durch aktuelle experimentelle Daten zur Vielfalt von Zelltypen und den Mechanismen der synaptischen Plastizität, die die Verbindungen zwischen Nervenzellen anpassen, geleitet. Das Projekt wird aufzeigen, wie Rückkopplungsschleifen das alltägliche Verhalten prägen. Darüber hinaus wird erforscht, wie Beeinträchtigungen dieser Schleifen zu psychiatrischen Störungen führen können. Außerdem sollen die Forschungsergebnisse zur Entwicklung leistungsfähigerer Systeme der Künstlichen Intelligenz beitragen. 

Julijana Gjorgjieva ist Professorin für Computational Neurosciences. Ihre Forschung wurde bereits mit einem ERC Starting Grant gefördert. 

Prof. Dr. Simon Jacob

Sprache wird traditionell in der linken Gehirnhälfte verortet. Möglicherweise übernimmt aber auch die rechte Hälfte wichtige Aufgaben, etwa bei der Wiederherstellung von Sprachfunktionen nach Hirnschäden, beispielsweise als Folge eines Schlaganfalls. In seinem Projekt RHETORICAL will Prof. Simon Jacob neue Technologien nutzen, um die Rolle der rechten Hirnhälfte für Sprache besser zu verstehen. Dafür setzen er und sein Team auf Mikroelektroden, die direkt im menschlichen Gehirn die Aktivität großer Gruppen individueller Nervenzellen aufzeichnen. Die Elektroden werden Patientinnen und Patienten eingesetzt, deren Sprachfähigkeit nach einem Schlaganfall eingeschränkt ist. So wollen die Forschenden die neuronalen Mechanismen von Sprache detailliert untersuchen. Darüber hinaus wollen sie herausfinden, ob es möglich ist, die Genesung aktiv zu unterstützen, indem man die Sprachnetzwerke des Gehirns durch Neurofeedback und elektrische Mikrostimulation präzise beeinflusst. 

Simon Jacob ist Professor für Translationale Neurotechnologie und Koordinator des TUM Innovation Networks NEUROTECH. Seine Forschung wurde bereits mit einem ERC Starting Grant gefördert.

Prof. Dr. Michael Knap

Die Anfälligkeit gegenüber Störungen durch externe Einflüsse ist eine der großen Herausforderungen für die Zuverlässigkeit von Quantencomputern. Das Forschungsprojekt DynaQuant von Prof. Michael Knap vom Lehrstuhl für Kollektive Quantendynamik untersucht, wie spezielle Eigenschaften von Quantenzuständen genutzt werden können, um robustere und effizientere Systeme zu entwickeln. Dabei geht es um sogenannte topologische Quantenzustände mit besonders exotischen Eigenschaften. Ziel ist es, neue Methoden zu entwickeln, um das Verhalten dieser Zustände besser zu verstehen, besonders, wenn sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Die Ergebnisse könnten helfen, neue Quantentechnologien zu entwickeln und sichere Datenverarbeitung entscheidend voranzutreiben. 

Michael Knap ist Professor für Kollektive Quantendynamik. Das ERC hat seine Forschung 2019 bereits mit einem ERC Starting Grant gefördert. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters MCQST

Prof. Dr. Matthias Nießner

Virtuelle Welten sind heute allgegenwärtig: Sei es in Videospielen, Filmen oder bei medizinischen und industriellen Anwendungen. Die Erstellung realistischer 3D-Inhalte ist dabei sehr zeitaufwändig und arbeitsintensiv. Bisherige Verfahren zur Automatisierung des Prozesses kommen qualitativ nicht an die Arbeit von Grafikerinnen und Grafikern heran, die virtuelle Welten händisch designen. Prof. Matthias Nießner stellt sich dieser Herausforderung in seinem Projekt Gen3D: Learning to Create Virtual Worlds. Er entwickelt dabei generative Modelle, die 3D-Polygonnetze sowie deren Oberflächentexturen und Materialeigenschaften erzeugen. Diese Modelle können direkt von modernen Grafiksystemen verwendet werden. Als Trainingsdaten nutzt er Bilder und Videos. Da diese nur teilweise die 3D-Welt zeigen, müssen die Modelle zusätzlich lernen mit unvollständigen Daten umzugehen.

Matthias Nießner ist Professor für Visual Computing. Außerdem ist er Kernmitglied des Munich Data Science Insitute (MDSI)

Prof. Dr. Andreas Reiserer

Quantentechnologie hat das Potenzial, die Zukunft der Datenverarbeitung zu revolutionieren – von extrem schnellen Computern bis zu besonders sicheren Kommunikationsnetzen. Ein Team unter Leitung von Prof. Andreas Reiserer versucht im Projekt OpENSpinS, die Bandbreite und die große Reichweite von Photonen (Lichtteilchen) mit der zuverlässigen und langlebigen Speicherung von Qubits in Silizium zu verbinden. Silizium ist das gut bekannte Standardmaterial in der Mikroelektronik. Statt elektronischer Spins sollen langlebige Kernspins von Erbium-Atomen zum Einsatz kommen, die mit Hilfe von Licht miteinander verschränkt werden. Dadurch sollen sich Qubits über weitere Distanzen verbinden lassen – ein zentraler Schritt hin zu größeren Quantennetzwerken.

Andreas Reiserer ist seit 2022 Professor für Quantennetzwerke

Proof of Concept Grant: Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer

Im Projekt SwingBots will Prof. Alin Albu-Schäffer einen besonders energieeffizienten Industrieroboter entwickeln. Ein wesentlicher Teil der Bewegungen der Maschine wird nicht durch Elektromotoren erreicht, sondern durch ein fein austariertes Zusammenspiel von elastischen Elementen und den starren Komponenten des Roboters als bewegliche Massen. Die theoretischen Grundlagen dieses Ansatzes hat das Team in einem ebenfalls durch den ERC geförderten Projekt entwickelt. Mit dem Proof-of-Concept Grant wollen die Froschenden besonders geeignete Anwendungen identifizieren, einen Prototypen entwickeln und die Aussichten einer Markteinführung prüfen. Zusätzlich zur größeren Energieeffizienz sollen Roboter, die sich sogenannte „Nichtlinearen Schwingungen“ zunutze machen auch leiser, robuster und kostengünstiger werden.

Alin Albu-Schäffer ist Professor für Sensorbasierte robotische Systeme und intelligente Assistenzsysteme, Seit 2012 ist er zudem Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seine Forschung wurde unter anderen mit einem ERC Advanced Grant gefördert.

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