• 17.5.2019
  • Lesezeit: 7 Min.

Prof. Richter-Gebert über die neue Ausstellung „La La Lab. Die Mathematik der Musik“

„In schöner Musik steckt meist Mathematik“

Wie sieht eine Melodie aus? Und kann man berechnen, was in unseren Ohren harmonisch klingt? In der neu eröffneten Ausstellung „La La Lab. Die Mathematik der Musik“ in Heidelberg lässt sich an interaktiven Exponaten experimentieren und erfahren, wie Mathematik und Musik zusammenhängen. Welche Rolle dabei die Visualisierung spielt, erklärt Co-Kurator Jürgen Richter-Gebert, Mathematikprofessor an der Technischen Universität München (TUM), im Interview.

Interaktive akustische Station in der Ausstellung "La La Lab". Wanda Domínguez / Imaginary
Interaktive akustische Station in der Ausstellung "La La Lab".

Am Donnerstag ist die Ausstellung „La La Lab“ in der Mathematik-Informatik-Station (MAINS) in Heidelberg eröffnet worden. Sie zeigt faszinierende Verbindungen zwischen Mathematik und Musik – von jahrhundertealten Werkzeugen, die Musiker zum Komponieren verwenden, bis hin zu den neuesten Forschungsarbeiten. Was kann Künstliche Intelligenz etwa heute schon im Bereich Musik? Anhand von Touchscreen-Exponaten zum Ausprobieren, 3D-Drucken und Projektionen können Besucherinnen und Besucher mehr über Musiktheorie und aktuelle Trends lernen. Fünf der 15 interaktiven Computer-Stationen hat Jürgen Richter-Gebert gestaltet.

„Wir wollen, dass die Leute Spaß haben, ins Staunen und ins Schmunzeln geraten.”— Jürgen Richter-Gebert, Professor für Geometrie und Visualisierung

Herr Prof. Richter-Gebert, was wollen Sie Besucherinnen und Besuchern mitgeben?

Wir wollen, dass die Leute Spaß haben, ins Staunen und ins Schmunzeln geraten. Wir hoffen, dass sie sich vor unsere Exponate stellen, die Regler der Interfaces hin und herschieben, verschiedene Szenarien ausprobieren, Klangwelten sehen und Mathematik hören – und dabei unser Thema in der Tiefe erkennen: Dass hinter schöner Musik meist Mathematik steht.

Hinter welchen musikalischen Phänomenen steckt Mathematik?

Es fängt damit an, dass ein Klang bewegte Luft ist, also eine Schwingung. Und eine Schwingung ist eine Funktion in der Zeit. Alles, was ich höre, lässt sich also in einer mathematischen Funktion beschreiben. Mit der Frage, warum bestimmte Töne gut zusammen klingen und andere nicht, haben sich schon die Schüler des Pythagoras beschäftigt. Sie untersuchten Saiteninstrumente und kamen zu dem Schluss, dass die Harmonie davon abhängt, ob die Saiten in einem ganzzahligen Längenverhältnis zueinander stehen. Heute wissen wir, dass der Klang einer Saite nicht aus einem einzigen Ton, sondern aus einem Obertonspektrum besteht. Das heißt, es gibt Tonbestandteile, die neben dem Grundton als ganzzahlige Vielfache der Frequenz mitklingen. Von diesem sogenannten Frequenzspektrum hängt die Harmonie ab. Dass mit Glocken beispielsweise vieles nicht gut klingt, was sich mit anderen Instrumenten harmonisch anhört, liegt an ihrem Obertonspektrum: Es ist nicht rein. Die Obertöne sind zwar Vielfache der Grundfrequenz, aber nicht ganzzahlig – wieder Mathematik.

Wie vermitteln Sie so ein abstraktes Thema in einer Ausstellung?

Ich bin Professor für Visualisierung und Geometrie – deshalb nutzen wir im „La La Lab“ auch viele optische Elemente. Wir verknüpfen Visuelles mit Musikalischem und zeigen so die Mathematik dahinter. Die Visualisierung kann die Wahrnehmung der Musik verstärken oder auch verändern: Wenn ich ein Stück von Chopin höre und gleichzeitig auf einem Bildschirm sehe, wie sich jeder gespielte Ton weiter nach unten schraubt, dann kommt mir das Stück noch viel trauriger vor. Wenn ich sehe, wie ein Musikstück auf einer Klaviertastatur gespielt wird, die grafisch als Spirale dargestellt wird, dann verstehe ich das Stück plötzlich viel besser. Ich kann mir eher vorstellen, wie es weitergeht – die Visualisierung eröffnet eine neue Dimension.

Was hat Sie dazu angetrieben, sich an „La La Lab“ zu beteiligen?

Ich liebe es, über Mathematik zu erzählen. Ich liebe Musik. Und ich bereite komplexe Dinge gerne in einer Form auf, die zum Mitmachen anregt. Mit der Frage, wie ich Mathematik auf eine interessante Weise vermitteln kann, beschäftige ich mich schon sehr lange. Ich habe bereits mehrere Ausstellungen auf den Weg gebracht, zum Beispiel „ix-quadrat“ an der Mathematik-Fakultät der TUM. Mit einer solchen Ausstellung kann ich Zusammenhänge aufzeigen, die viele vorher gar nicht gesehen haben. Außerdem kann ich mich mit neuen Fragestellungen beschäftigen: Wie kann ich ein Programm schreiben, das einen möglichst guten Klang erzeugt oder einen Strich möglichst genau zieht? Wenn ich etwas bestmöglich lösen will, lande ich automatisch bei forschungsrelevanten Fragen.

„Für gute akustische Exponate muss die Technologie extrem genau sein.”— Jürgen Richter-Gebert, Professor für Geometrie und Visualisierung

Also ist die Ausstellungsarbeit für Sie auch Forschung?

Genau. Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit den Inhalten einer Ausstellung genauso Forschung sein kann, wie das Schreiben einer passendenden Software. Meine Exponate für „La La Lab“ beruhen auf einer Geometrie-Software, der Cinderella-CindyJS-Plattform, die wir an meinem Lehrstuhl entwickelt haben und die sich besonders zum Erzeugen interaktiver mathematiknaher Inhalte eignet. Für „La La Lab“ haben wir die Software jetzt um eine recht aufwendige Sound-Schnittstelle erweitert. Dabei hat uns das Ausstellungsthema vor eine Herausforderung gestellt: Musik ist von der Technik her sehr empfindlich, kleinste Abweichungen hört man sofort. Bei einer grafischen Umsetzung fallen Abweichungen nicht so schnell auf. Für gute akustische Exponate muss die Technologie also extrem genau sein.

Exponat der Ausstellung "La La Lab. Die Mathematik der Musik". Wanda Domínguez / Imaginary
Exponat der Ausstellung "La La Lab. Die Mathematik der Musik".
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“La La Lab” wird von der Heidelberg Laureate Forum Foundation präsentiert. Die Erstellung der Exponate und Realisierung der Ausstellung wurden ermöglicht durch die Förderung der Klaus Tschira Stiftung und die Unterstützung der TU München. Initiiert wurde die Ausstellung von IMAGINARY, einer Open-Source-Plattform für interaktive Mathematik, die Inhalte beispielsweise für Schulen, zu Hause, Museen und Ausstellungen präsentiert.

An „La La Lab“ war Jürgen Richter-Gebert neben mehreren weiteren wissenschaftlichen und künstlerischen Beraterinnen und Beratern, sowie Künstlerinnen und Künstlern maßgeblich beteiligt. Seit 2007 hat er zusammen mit IMAGINARY immer wieder interaktive Exponate verwirklicht, etwa im Deutschen Museum und im Museum für Mineralien und Mathematik in Oberwolfach.

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