Wissenschaftsjahr 2018: Prof. Klaus Bengler spricht über die Arbeitswelten der Zukunft
„Nicht der Roboter ist die größte Bedrohung für den Arbeitsplatz“
Werden wir in Zukunft immer mehr mit Robotern zusammenarbeiten?
Tatsächlich ist eine deutliche Zunahme verschiedenster Roboter zu beobachten. Es gibt immer intelligentere Maschinen, die ihr eigenes Verhalten haben, und wir sollten unsere Vorstellung vom Roboter verändern. Der Unterschied zu den früheren Automatisierungen besteht dann darin, dass Maschinen nicht einfach den Menschen ersetzen. Vielmehr koexistieren, kooperieren und kollaborieren diese mit den Menschen. Wenn Sie sich im Garten aufhalten und gleichzeitig mäht ein automatischer Mähroboter den Rasen, wäre das ein Beispiel für Koexistenz. Kooperieren bedeutet, Sie arbeiten mit einem Roboter zusammen, unter Umständen auch in örtlicher Nähe. Das findet immer häufiger in Fabriken statt und muss unter anderem wegen Sicherheitsaspekten sehr sorgfältig gestaltet werden. Wenn Mensch und Roboter kollaborieren, arbeiten sie im übertragenen Sinne Hand in Hand. Sie müssen zum Beispiel etwas Schweres tragen und der Roboter hilft Ihnen dabei. Wir werden uns meiner Prognose nach zunehmend in einer Arbeitswelt aufhalten, die ein Eigenleben entfaltet, und wir können dieses Eigenleben nur noch begrenzt beeinflussen. Bisher ist es ja so, dass sich die Geräte dann in Bewegung setzen, wenn wir sie einschalten. In dieser Eigendynamik liegt eine der wichtigsten Gestaltungsaufgaben.
Viele Menschen haben Sorge, dass sie am Arbeitsplatz durch Maschinen ersetzt werden. Ist diese Sorge gerechtfertigt?
Derzeit werden viele unterschiedliche Szenarien diskutiert. Ich denke, es wird, was die Arbeitsplätze angeht, nicht zu einer Verringerung, sondern zu einer Veränderung kommen. Es werden bestimmte Arbeitsplätze wegfallen, aber es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, zum Beispiel um Maschinen zu entwickeln, instand zu halten und zu programmieren. Vor allem die Programmierung wird in Zukunft wesentlich mehr Nutzern möglich sein als heute. Viele Menschen werden zudem in Arbeit bleiben können, weil sie durch die Roboter individuelle Unterstützung bekommen. Das Potenzial der intelligent kooperierenden Maschinen, die nach wie vor von Menschen genutzt werden und ihnen die Arbeit erleichtern, wird dabei meiner Meinung nach unterschätzt. Das heißt, die Maschine übernimmt eine Standardtätigkeit, aber der Mensch, der die Expertise besitzt, hat Verantwortung für die Aufgabe und führt sie aus. Zum Beispiel kann ich mit einem Hebeassistenten oder Exoskelett unter Umständen noch Lasten heben, die mir sonst zu schwer wären.
Ist diese Veränderung der Jobprofile für die Mitarbeiter nicht schwierig zu bewältigen?
Tatsächlich besteht meiner Meinung nach die größte Gefahr nicht darin, dass ein Roboter jemandem den Arbeitsplatz wegnimmt. Das größere Risiko wäre, dass die Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ihn korrekt zu bedienen, weil ihnen die notwendige Qualifikation fehlt oder das Gerät zu komplex gestaltet ist. Was verstehen wir unter ease of use, wenn es um robotische Systeme im weitesten Sinn geht? Es stellt sich uns allen also die Frage: Wie kann ich lernen, mit der nächsten Generation von IT umzugehen? Wir sollten in diesen Technologien keine Bedrohung sehen, sondern ein Gestaltungspotenzial. Das grundlegende Interesse ist bei den meisten Menschen grundsätzlich vorhanden. Allerdings müssen die Inhalte auch entsprechend aufbereitet sein. Das ist eine Aufgabe für uns als Hochschule. Es müssen neue Lehr- und Lernformen entwickelt werden. Dabei sollten wir auch das Potenzial der virtuellen Realität sowie der erweiterten oder augmentierten Realität in Bildung und Ausbildung betrachten.
Welche Aufgabe hat die Forschung und im speziellen die Ergonomie bei der Veränderung der Arbeitswelt?
Wir sollten Technologien immer so entwickeln und gestalten, dass sie am Menschen orientiert sind. In der Forschung beschäftigen wir uns damit, wie technische Systeme gestaltet sein müssen, sodass sie nicht nur von ihren Entwicklern oder Ingenieuren, sondern von späteren Nutzern verwendet werden können. Als Ergonomen können wir hier klare Handlungshinweise geben. Zum Beispiel kann das Interface von Maschinen so gestaltet werden, dass es sich an bekannten Prinzipien aus dem Alltag orientiert, wie etwa der Bedienung des Smartphones. Damit lässt sich schon eine Lernhürde überwinden. Aber wir sagen auch, wo dies nicht sinnvoll ist, zum Beispiel, wenn es sich um sicherheitsrelevante Systeme handelt, bei denen ein Bedienungsfehler ernste Konsequenzen haben kann.
Eine weitere Herausforderung: die Gestaltung von aussagekräftigen Bewegungsmustern. In Zukunft werden sich immer mehr Maschinen um uns herum bewegen. Zum Beispiel Autos, Lieferroboter oder Haushaltsroboter. Hier ist die Frage, wie deren Bewegungsabläufe gestaltet sein müssen, damit sie die Menschen nicht stören und verwirren, sondern sich in unsere Gewohnheiten einbetten.
Kontakt:
Prof. Klaus Bengler
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Lehrstuhl für Ergonomie
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