Vernetzte Simulationswelten für Fußgänger, Auto- und Lkw-Fahrer
Der virtuelle Fußgänger
Zehn Infrarotkameras sind in dem abgedunkelten Raum aufgestellt. In der Mitte steht eine Frau in einem schwarzen Motion-Capturing-Anzug aus hochelastischem Material. Auf dem Kopf trägt sie ein sogenanntes Head-Mounted Display. In diesem ist ein Bildschirm installiert, der eine virtuelle Welt zeigt.
Doch hier handelt es sich um kein Computerspiel, sondern ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Ergonomie der TUM. Die Wissenschaftler wollen mithilfe des von ihnen entwickelten Fußgängersimulators die Interaktion zwischen Fußgängern und motorisierten Verkehrsteilnehmern untersuchen – ohne die Probanden einer Gefahr auszusetzen. Die Entwicklung des Fußgängersimulators ist Teil der Forschung im Verbundprojekt "UR:BAN". Hier arbeiten mehrere Industrie- und Forschungsinstitutionen gemeinsam daran, Fahrerassistenz- und Verkehrsmanagementsysteme für die Stadt zu entwickeln.
Wie reagieren Fußgänger auf teilautomatisierte Fahrzeuge?
"Simulatoren geben uns die Möglichkeit, sehr standardisiert, sehr gut reproduzierbar und risikofrei Daten zu menschlichem Verhalten im Verkehr zu generieren", erklärt Lehrstuhlinhaber Prof. Klaus Bengler. "Tritt ein Fußgänger an den Bordstein, ist es zum Beispiel interessant zu sehen, wie Fahrzeugführer und Fußgänger interagieren. Welches Verhalten des Fußgängers motiviert den Fahrzeugführer zum Beispiel, ihn über die Straße gehen zu lassen?" Blickkontakt könnte dabei ein Faktor sein, oder auch die Körpersprache des Fußgängers. Auch das Verhalten des Fahrers spielt eine Rolle. Bremst er ab, könnte dies vom Fußgänger als Aufforderung interpretiert werden, die Straße zu überqueren.
Wichtig sind diese Versuche unter anderem für die Entwicklung intelligenter Assistenzsysteme für den städtischen Verkehr. Diese müssen das Verhalten von anderen Verkehrsteilnehmern interpretieren können, um potenziell gefährliche Situationen zu erkennen und gegebenenfalls zu entschärfen. Aber auch andere Fragestellungen wie etwa die Reaktion eines Fußgängers auf ein teil- oder hochautomatisiertes Auto sollen in Zukunft untersucht werden.
Probanden sollen in virtuelle Welt eintauchen
Die Technik hinter dem Simulator stammt teilweise aus der Gaming-Industrie. Auf dem Anzug des Probanden sind Marker angebracht, die von den Kameras erkannt werden. Das Computerprogramm kann so die virtuelle Person berechnen. Der Avatar bewegt sich dann in der virtuellen Verkehrswelt.
Aktuell arbeiten die Wissenschaftler André Dietrich, Ilja Feldstein und Christian Lehsing daran, die Technik sowie die Versuchsmethodik zu optimieren. "Die Simulation soll so nah wie nötig an der Realität sein", erklärt Feldstein. So muss der Proband sich zum Beispiel in der virtuellen Welt bewegen können, ohne in der realen Welt gegen Hindernisse zu laufen. Eine mögliche Lösung wäre ein Art rundes Laufband. Auch könnten haptisches Feedback oder Verkehrsgeräusche die Versuchspersonen noch tiefer in die virtuelle Welt eintauchen lassen.
Eine weitere Besonderheit, die das Erlebnis im Simulator realistisch macht: Die virtuelle Welt lässt sich erweitern. "Es ist möglich, den Fußgängersimulator mit einem Pkw- und Lkw-Simulator zu vernetzen", erklärt Lehsing. Hier treffen also reale Menschen als unterschiedliche Verkehrsteilnehmer aufeinander – wenn auch in der virtuellen Welt.
Mehr Informationen:
- Podcast-Interview mit Prof. Fritz Busch (mp3; 12,9 MB)
- Podcast-Interview mit Prof. Klaus Bengler (mp3; 9,17 MB)
Kontakt:
Ilja Feldstein
Technische Universität München
Lehrstuhl für Ergonomie
ilja.feldstein @tum.de
+49 (89) 289 - 15370
Christian Lehsing
Technische Universität München
Lehrstuhl für Ergonomie
lehsing @lfe.mw.tum.de
+49 89 289-15368
www.ergonomie.tum.de
Technische Universität München
Corporate Communications Center
- Stefanie Reiffert
- reiffert @zv.tum.de
- presse @tum.de
- Teamwebsite