Studie über das taktische Verhalten von Radlern
Typisch Fahrradfahrer
Immer mehr Menschen in der Stadt ziehen ihren Drahtesel dem Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr vor. Radler sind schnell und wendig. Auch fällen sie spontan Entscheidungen - die nicht immer regelkonform sind. Gleichzeitig gehören sie aber auch zu den besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmern. Das bedeutet, zukünftige Assistenzsysteme, die motorisierte Fahrer vor Risiken warnen sollen, müssen die Verhaltensmuster von Radfahrern kennen.
In vielen gängigen Verkehrs-Simulationen ist aber der Radverkehr nicht realitätsgetreu abgebildet. Zum Beispiel halten sich die virtuellen Radler immer an die Verkehrsregeln. Heather Twaddle und Dr. Silja Hoffmann vom Lehrstuhl für Verkehrstechnik an der TUM versuchen daher, statistisch signifikante Verhaltensmuster der Radfahrer zu erkennen. Die Forschung ist Teil des Verbundprojekts "UR:BAN", in dem Industrie- und Forschungsinstitutionen gemeinsam daran arbeiten, Fahrerassistenz- und Verkehrsmanagementsysteme für die Stadt zu entwickeln.
Twaddle beobachtete mithilfe von Kameras drei Tage lang vier Kreuzungen in München. Die Videokameras wurden so installiert, dass die Kreuzung und die Zufahrten aus der Vogelperspektive zu sehen waren. „Gesichter oder Nummernschilder konnten wir nicht erkennen“, sagt Twaddle.
Insgesamt 5050 Fahrradfahrer wurden erfasst. Die Forscherinnen werteten deren Positionen und Geschwindigkeiten aus und konnten so erkennen, wie die Radler sich in typischen Situationen verhalten. Dabei beziehen sich die Prozentzahlen nicht auf die gesamten 5050 Radfahrer, sondern jeweils auf die Anzahl der Radler, die in den genannten Verkehrssituationen beobachtet wurden.
- Fahren auf dem Radweg, Gehweg oder Straße
Ist ein Radweg vorhanden, nutzen diesen 89 Prozent der Radler, 3,8 Prozent fahren auf dem Gehweg, 7,2 Prozent auf der Straße. Gibt es keinen Radweg, sind 90,5 Prozent der Radler auf der Straße unterwegs und 9,5 Prozent auf dem Gehweg.
- Halten vor einer roten Ampel
80,8 Prozent der Radfahrer stoppen ordnungsgemäß bei Rot, 7,2 Prozent dagegen fahren über die rote Ampel, wenn sich die Möglichkeit bietet. 12 Prozent der beobachteten Radler stoppen und nutzen die Fußgängerampeln.
- Position in der Warteschlange
Hat sich eine Warteschlange auf dem Radweg gebildet, stoppen 78,7 Prozent hinter dem letzten Fahrer, 13,2 Prozent schlängelten sich bis an den Anfang der Schlange vor. 8 Prozent weichen lieber auf den Gehweg aus, allerdings nutzen nur 0,1 Prozent die Straße als Ausweichmöglichkeit.
- Verhalten Linksabbieger
Beim Linksabbiegen reihen sich nur 17,9 Prozent in den Verkehr ein und biegen mit den Autos auf der Fahrspur ab, 35,8 Prozent fahren erst gerade über die Kreuzung, um dann im rechten Winkel links abzubiegen, 46,3 Prozent nutzen die Fußgängerampeln.
Twaddle analysiert nun, warum die Radfahrer in bestimmten Situationen bestimmte Verhaltensmuster zeigen. So werden breitere Radwege öfter genutzt als enge, auch hat erwartungsgemäß die Länge der Rotphase darauf Einfluss, ob die Fahrer stehen bleiben oder dann doch über Rot fahren. Auch das Pulkverhalten spielt eine Rolle, erklärt Twaddle. Ignoriert ein Radler die rote Ampel, folgen ihm noch andere.
Da auch Faktoren wie Wetter und Tageszeit eine Rolle spielen, wollen die Wissenschaftlerinnen noch mehr Daten sammeln. Zum Beispiel soll eine Infrarotkamera dabei helfen, die Fahrer im Dunkeln zu beobachten. Weitere Versuche werden an einem Fahrrad-Simulator durchgeführt. Die aus den Daten entwickelten Modelle sollen später in Verkehrssimulationen eingebaut werden.
Mehr Informationen:
- Podcast-Interview mit Prof. Fritz Busch (mp3; 12,9 MB)
- Podcast-Interview mit Prof. Klaus Bengler (mp3; 9,17 MB)
Kontakt:
Heather Twaddle
Technische Universität München
Lehrstuhl für Verkehrstechnik
heather.twaddle @tum.de
Tel: +49 89 289.22436
www.vt.bgu.tum.de
Technische Universität München
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