• 30.11.2020
  • Lesezeit: 3 Min.

Überlappendes Gen in SARS-CoV-2 gefunden

Dem Gen-Code auf der Spur

Viren sind infektiöse organische Strukturen, die sich außerhalb von Zellen durch Übertragung verbreiten, aber als Viren nur innerhalb einer geeigneten Wirtszelle vermehren können. Wer verstehen will, wie neue Viren entstehen, muss zunächst die Position der einzelnen Gene bestimmen und klären, was diese Gene tun. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat ein bislang verstecktes Gen gefunden, das vielleicht zur schnellen Verbreitung des SARS-CoV-2 beigetragen hat.

Die Gen-Struktur des Corona-Virus zu entschlüsseln ist eine spannende Aufgabe. (Bild: Pixabay/ Pete Linforth) Pixabay/ Pete Linforth
Die Gen-Struktur des Corona-Virus zu entschlüsseln ist eine spannende Aufgabe.

Bei Viren kommt es häufig zu so genannten überlappenden Genen, die leicht übersehen werden können, aber bei der Ausbreitung eines Virus bis hin zu einer Pandemie eine wichtige Rolle spielen. Dr. Zachary Ardern, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie, spricht im Interview über seine Forschung in diesem Bereich.

Was sind überlappende Gene und was bewirken sie?

Auf den ersten Blick scheinen Gene wie geschriebene Sprache zu sein, da sie aus Buchstabenketten (Nukleotiden) bestehen, die Informationen vermitteln. Während sich jedoch die einzelnen Spracheinheiten, also die Wörter, nur hintereinander reihen lassen, können Gene überlappend und multifunktional sein, wobei die Information kryptisch kodiert ist, je nachdem, mit welchem Buchstaben man beginnt. Überlappende Gene oder "Gene in Genen" sind schwer auszumachen. Besonders häufig findet man sie bei Viren, die durch natürliche Selektion verfeinert wurden, um die Vervielfältigung und damit den Informationsgehalt pro Nukleotid zu maximieren.

Welcher Frage sind Sie im Hinblick auf das Coronavirus nun konkret nachgegangen?

Wenn überlappende Gene mit funktioneller Bedeutung übersehen werden, können wichtige Aspekte der viralen Biologie nicht richtig dargestellt werden. Schon vor der COVID-19-Pandemie haben wir eine Methode entwickelt, um überlappende Gene zu untersuchen. Damit werden Genome, also die Träger des Erbguts eines Virus, nach Mustern genetischer Veränderungen durchsucht, die für überlappende Gene einzigartig sind. Diese und andere Methoden haben wir nun auf eine Fülle neuer Sequenzdaten angewendet, die für SARS-CoV-2 zur Verfügung stehen.

Was waren Ihre wichtigsten Ergebnisse?

Wir haben ORF3d identifiziert, ein neues überlappendes Gen in SARS-CoV-2, das das Potenzial hat, ein unerwartet langes Protein zu kodieren. Wir stellten fest, dass dieses Gen auch in einem zuvor entdeckten Pangolin-Coronavirus vorhanden ist, das ein Verwandter von SARS-CoV-2 ist. Der neue ORF3d wurde jedoch falsch klassifiziert und seine Funktion wurde aufgrund einer solchen Fehlklassifikation falsch vorhergesagt. Daher beschreiben wir dieses Gen im Detail, ebenso wie seine vorhergesagte funktionelle Bedeutung, um es von den verschiedenen anderen überlappenden Genen zu unterscheiden, die derzeit bei SARS-CoV-2 erkannt werden.

Wem könnten die Ergebnisse Ihrer Studie letztendlich zugutekommen, und was müsste getan werden, bevor wir diese Vorteile erreichen könnten?

Hinsichtlich der Genomgröße gehören SARS-CoV-2 und seine vielen Verwandten zu den längsten RNA-Viren, die es gibt. Sie sind daher vielleicht anfälliger für "genomische Tricks" als andere RNA-Viren. Überlappende Gene sind möglicherweise eine der vielen Möglichkeiten, wie sich Coronaviren entwickelt haben, um sich effizient zu vermehren, die Immunität des Wirts zu durchkreuzen und sich selbst zu übertragen. Wenn man weiß, dass es überlappende Gene gibt und wie sie funktionieren, können neue Wege zur Kontrolle von Coronaviren durch Impfstoffe und antivirale Medikamente aufgezeigt werden.

Publikationen

Chase W. Nelson, Zachary Ardern, Tony L Goldberg, Chen Meng, Chen-Hao Kuo, Christina Ludwig, Sergios-Orestis Kolokotronis, Xinzhu Wei: Dynamically evolving novel overlapping gene as a factor in the SARS-CoV-2 pandemic. eLife.

 

Weitere Informationen und Links

Das beteiligte Team war international, wurde von drei Postdoktoranden in Taiwan, Freising-Weihenstephan und Kalifornien geleitet und umfasste Forscherinnen und Forscher sowohl vom Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie als auch vom BayBioMS (Bayerisches Zentrum für Biomolekulare Massenspektrometrie). Die verwendeten Methoden bauen direkt auf der jahrelangen wissenschaftlichen Grundlagenforschung zu überlappenden Genen am Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie (Prof. Siegfried Scherer) auf. Der Lehrstuhl ist mit dem ZIEL - Institute for Food and Health assoziiert.

 

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Siegfried Scherer
Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie
E-Mail: siegfried.scherer@wzw.tum.de
Tel.:  +49 (8161)71-3516

Dr. Zachary Ardern
Lehrstuhl für Mikrobielle Ökologie
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
E-Mail: zachary.ardern@tum.de
Tel.: +49 (8161)71-3851

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