Erste Karte von Kronendachöffnungen europäischer Wälder erstellt
Satellitenbilder zeigen Veränderungen des Waldzustandes
Erstmals ist es einem Forschungsteam gelungen, eine hochaufgelöste Karte aller Öffnungen im Kronendach europäischer Wälder zu erstellen. Rupert Seidl, Professor für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften an der TUM, und sein Mitarbeiter Cornelius Senf, Erstautor der Studie, haben dafür mehr als 30.000 Satellitenbilder analysiert und darin über 36 Millionen Flächen identifiziert, auf welchen große Bäume einer Freifläche oder jungen Bäumen gewichen sind. Dies entspricht einem Verlust des Kronendaches auf 17 Prozent der europäischen Waldfläche in 30 Jahren.
Der Grund der Kronendachöffnung reicht dabei von geregelter Holznutzung bis hin zu Windwurf oder Waldbrand. Wie die Wissenschaftler herausfanden, war die Größe und Form der Öffnungen im Kronendach sehr unterschiedlich.
So hat zum Beispiel Schweden die größten Öffnungen im Kronendach vorzuweisen (im Durchschnitt knapp zwei Hektar), wohingegen in Portugal die höchste Anzahl an Öffnungen des Kronendaches zu verzeichnen war. Die im Schnitt kleinsten Öffnungen gibt es in der Schweiz. Sie sind mit gerade einmal 0,6 Hektar kleiner als ein Fußballfeld, während die durchschnittliche Flächengröße in Deutschland bei 0,7 Hektar, in Italien bei 0,75 Hektar lag. Die größte von den Forschern dokumentierte Öffnung im Kronendach trat in Spanien auf. Hier hat ein Feuer im Jahr 2012 ganze 17.000 Hektar auf einmal verbrannt.
Chance für an den Klimawandel angepasste Baumgenerationen
Die neuartige Karte ermöglicht es auch, Änderungen im Waldzustand zu beschreiben. So fanden die Forscher unter anderem heraus, dass Öffnungen des Kronendaches in ganz Europa zugenommen haben. Das bedeutet, dass Europas Wälder offener und häufiger durch Freiflächen unterbrochen werden. Zudem wurden die Öffnungen des Kronendaches im Schnitt größer, was nicht zuletzt durch große Windwürfe und Waldbrände in den vergangenen Jahren bedingt ist.
Die Studie zeigt auch, dass vermehrt Bäume auf solchen gestörten Flächen überleben. Durch die Verfügbarkeit von Samenmaterial fördert dies wiederum die Erholungsfähigkeit der Wälder nach einer Störung und kann auch als ein Indiz für die Zunahme von niedrigintensiver Waldwirtschaft in Europa, in welcher nur noch Einzelbäume oder Gruppen von Bäumen entnommen werden, gewertet werden.
Trotz der starken Änderungen in Europas Wäldern sehen die Forscher auch eine positive Entwicklung: „In den meisten Fällen wachsen nach einem Verlust des Altbestands neue, junge Bäume heran“, sagt Cornelius Senf und fügt hinzu: „Um aber zu verstehen, wo Wälder gegebenenfalls Gefahr laufen, irreversibel geschädigt zu werden, brauchen wir eine Basislinie als Referenz. Diese zeigt die neu erstelle Karte auf.“
Seidl fügt hinzu: „Die neuen Karten helfen uns zu verstehen, wie sich Europas Wälder wandeln. Denn zunehmende Öffnungen im Kronendach sind ein Risiko für den Wald, bieten aber auch die Chance, dass sich eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Baumgeneration etablieren kann. Die Karten können zum Beispiel helfen, Flächen zu identifizieren wo durch gezieltes Pflanzen die Regeneration gefördert werden muss oder wo der Wald sich selbst verjüngen kann. Somit kann der Wald für den Klimawandel fit gemacht werden, eine Aufgabe, die gerade in den vergangenen zwei Jahren an Dringlichkeit gewonnen hat.“
Senf und Seidl (2020): Mapping the forest disturbance regimes of Europe. Nature Sustainability. URL: https://www.nature.com/articles/s41893-020-00609-y
Das Forschungsprojekt wurde mit Hilfe des Landsat-Satellitenprogramms realisiert. Insgesamt nutzten die Forscher vier verschiedene Satelliten-Generationen der Landsat-Reihe, was einen dreißigjährigen Beobachtungszeitraum ermöglicht. Die Daten stellt der United States Geological Survey kostenlos zur Verfügung. Die in der aktuellen Arbeit erstellten Karten stehen ebenfalls frei zur Verfügung und können auch online eingesehen werden: https://corneliussenf.users.earthengine.app/view/european-disturbance-map
Technische Universität München
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Kontakte zum Artikel:
Prof. Dr. Rupert Seidl
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Professur für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften
E-Mail: Rupert.Seidl @tum.de
Dr. Cornelius Senf
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E-Mail: Cornelius.Senf @tum.de