Interview zur Digitalisierung an der TUM
„Wir wollen kein Papier mehr verschicken“
Herr Braun, wo und wie können sich Mitarbeitende der TUM für die Digitalisierung engagieren?
Eines unserer Großprojekte ist die SAP-Transformation, also das Ziel, für alle Verwaltungsprozesse einen digitalen Workflow zu schaffen. Seit Januar 2024 unterstützt uns dabei ein externer Partner bei der Analyse und auch Implementierung unserer Prozesse. Damit das Ganze aber auch gut funktioniert, müssen sehr viele Personen in den einzelnen Abteilungen mithelfen.
Inwieweit?
In der täglichen Arbeit hat jede und jeder einen Teilprozess im Blick und beschwert sich, natürlich zum Teil auch sehr zu Recht, dass gewisse Dinge lange dauern, dass man keine Transparenz hat, wo der Prozess aktuell liegt. Aber es gibt eigentlich niemanden, der wirklich den Gesamtprozess von A bis Z umreißen kann. Und deshalb werden wir in der IT, gemeinsam mit diesem externen Partner, diese Themen zusammenbringen. Das heißt, jeder bringt seinen Teilprozess mit, wir bauen einen Gesamtprozess daraus, der so schlank wie möglich ist. Diese Umstellung werden wir begleiten durch Schulungen und viele Events.
Lassen Sie uns über Beispiele sprechen – was wird sich konkret ändern?
Nehmen wir die Rechnungsstellung. Eine Mitarbeiterin braucht ein neues Tablet. Das läuft in Zukunft alles digital, von der Auswahl des Geräts, der Genehmigung durch die Vorgesetzte oder den Vorgesetzten, die Bestellung, die Rechnung, die Bezahlung, komplett papierlos.
Das klingt effizient. Verschwinden dann auch irgendwann die Urlaubskarten?
Ja, das ist das Ziel. Vor allem wollen wir eine einheitliche digitale Lösung für alle Standorte. Ein anderes Beispiel sind Personalprozesse wie Bewerbungen – auch die sollen komplett digitalisiert werden, wir wollen kein Papier mehr durch die Gegend schicken.
Wir wollen eine einheitliche digitale Lösung für alle Standorte.
CIO und Geschäftsführender Vizepräsident der TUM
Vom papierlosen Büro wird schon seit Jahrzehnten gesprochen…
Da hat es schon Fortschritte gegeben. Aber Tatsache ist, dass auch mit diesem SAP-Projekt keine hundertprozentige Digitalisierung zu schaffen ist. Ich sage gerne, wir schaffen eine 80-Prozent-Lösung. Denn es wird immer kleinere Prozesse geben, die einen zu großen Digitalisierungsaufwand erfordern. Unser neues Digital Transformation Office versucht, alle Anforderungen zusammenzuführen und zu überlegen, wie passt ein Prozess ins Gesamtkonzept? Wo haben wir einen Bedarf, ein neues Produkt oder einen neuen Prozess abzubilden? Gibt es da vielleicht Produkte am Markt oder müssen wir etwas selbst entwickeln? Wichtig ist es, nah an den Wünschen der Kund:innen zu arbeiten, also in dem Fall an den Wünschen aller Mitglieder der Universität.
Viele Digitalisierungskonzepte, gerade in der Lehre, lagen schon lange in der Schublade. Dann kam die Covid-19-Pandemie und die TUM hat ziemlich schnell Blended Learning, Flipped Classroom, elektronische Klausuren eingeführt. War die Pandemie notwendig, um die Digitalisierung voranzutreiben?
Ich würde es etwas anders formulieren: Corona hat gezeigt, dass man relativ einfach Prozesse oder allgemein neue Technologien einführen kann, ohne dass es notwendigerweise weh tut. Corona hat bewirkt, dass alle verstanden haben, ich kann meine Arbeitsweise schnell ändern, ohne dass ich alles umkrempeln muss.
Auf einer Skala von 0 (keine Digitalisierung) bis 10 (perfekte Digitalisierung) – wo würden Sie die TUM sehen?
Verwaltung 2, Lehre 8. Die Forschung ist je nach Fachrichtung sehr unterschiedlich. Insgesamt würde ich der TUM eine 4 bis 5 geben.
Und wie steht die TUM im Vergleich zu anderen Universitäten da?
Wir haben schon einige dramatische Lücken und definitiv Nachholbedarf auf vielen Ebenen, aber auf anderen Ebenen sind andere Organisationen auch nicht besser. Die Hochschulen leiden unter hohen Aufwänden durch Überbürokratisierung und da ist dann auch weniger die IT das Problem, sondern es sind die komplizierten Verwaltungsprozesse. Diese Prozesse gesamtheitlich zu verstehen und dann auch neu und klug zu gestalten, das ist eigentlich die große Herausforderung.
Als Chief Information Officer beziehungsweise Senior Vice President Digitalisierung muss man dann auch eine Menge von Psychologie und Management verstehen?
Ich habe den Vorteil, ein Bindestrich-Informatiker zu sein. Als Bauinformatiker bringe ich die etwas hemdsärmelige Ingenieursdenke mit, dass man eben auch Dinge anwendet und versucht umzusetzen. Aber die Digitalisierungsstrategie, das ist tatsächlich kein reiner IT-Job.
Welche Digitalisierung brauchen wir bei Forschung und Innovation?
Da geht es tatsächlich weniger um Prozesse wie in der Verwaltung, sondern um die IT-Ressourcen. Also Ressourcen für Speicher, für CPUs, für GPUs – also spezialisierte Prozessoren. Da hat sich der Bedarf insbesondere durch KI-Anwendungen enorm erhöht. Hier reden wir über Terabyte an Daten, und über GPU-Cluster, die so viel Strom brauchen wie die ganze Uni. Wir schaffen zum Beispiel gerade ein großes Cluster beim Leibniz-Rechenzentrum, denn das muss ein zentralisiertes System sein, um effizient und nachhaltig genutzt werden zu können.
Die Forschung braucht viel Rechenpower, andererseits entstehen ja auch enorm viele Daten – wie gehen wir damit um?
Das ist ein wichtiges Thema, Stichwort Open Science. Wir wollen ja die Daten für uns und für die Öffentlichkeit verfügbar machen, also müssen sie richtig abgelegt werden. Dafür haben wir mit unserem TUM Research Data Hub eine neue Initiative gestartet, um künftig Daten strukturiert und semantisch definiert abspeichern zu können. Zusätzlich schaffen wir für alle Forschungsaktivitäten der TUM ein neues Forschungsinformationssystem. Wir haben bereits erste Pilotanwendungen, Anfang 2024 wollen wir eine Art Soft-Rollout machen. Am Ende werden wir ein System haben, in dem alle Informationen über und von Forschenden, ihre Arbeiten, ihre Kooperationen, ihre Patente gespeichert sind und das öffentlich zugänglich ist.
Sie haben ein zentrales GPU-Cluster erwähnt. Geht in der IT generell der Trend wieder zur Zentralisierung?
Die Entwicklung hin zum PC hat zunächst viele Prozesse dezentralisiert. Und viele Menschen sagen, ich möchte mein Hoheitsgebiet behalten, ich möchte meine individuelle Freiheit behalten. Aber allein aus Datenschutzsicht haben wir ganz klar die Vorgabe, dass nur sehr stark begrenzte Personenkreise Zugriff auf sensitive Daten haben, und das können wir nur mit zentralisierten Systemen bewerkstelligen. Oder nehmen wir die IT-Sicherheit. Wenn ich hunderte dezentrale Systeme betreibe, dann gibt es eben hunderte Einfallstore für Kriminelle. Nicht zuletzt haben wir durch unser Tenure Track System sehr viele neue Professuren, die nicht mehr die Verwaltungsressourcen haben, um eigene Systeme zu betreuen und zu verwalten. Sie sind stärker auf zentrale Lösungen angewiesen, als das früher bei sehr großen Lehrstühlen der Fall war.
An der TUM wird viel über Digitalisierung geforscht. Ist es da einfacher, digitale Prozesse einzuführen? Oder schwieriger, weil viele sich als Expert:innen verstehen?
Beides. An einer Universität arbeiten sehr viele sehr kluge Köpfe – da kann ich niemandem erzählen, dass irgendein Prozess supertoll ist, wenn das nicht stimmt. Da würde ich relativ schnell entlarvt. Andererseits ist es einfacher, weil viele Personen wissen, wie nützlich Digitalisierung ist. Trotzdem haben wir natürlich auch sehr viele Menschen bei uns, die nicht an der Digitalisierung forschen und generell wenig IT-Wissen haben. Insgesamt haben wir also eine enorme Bandbreite, von Personen, die Basisschulungen benötigen bis hin zu Fachleuten.
Wir spüren überall den Fachkräftemangel – aber besonders stark in der IT. Wie schaffen Sie es angesichts fehlender IT-Fachleute, die Digitalisierungsstrategie für die TUM umzusetzen?
Wir versuchen erstens, so viel wie möglich mit Partnern zusammenzuarbeiten, wie dem Leibniz-Rechenzentrum. Zweitens wollen wir, wo es irgendwie möglich ist, Doppelstrukturen abbauen. An der TUM werden ganz viele Systeme doppelt betrieben, aus historischen Gründen. Damit entlasten wir auch die Mitarbeitenden. Drittens versuchen wir, Dienstleistungen auszulagern. Aber ich habe festgestellt, dass unsere Mitarbeitenden sehr begeistert von der TUM sind und auch sehr positiv über ihren Job reden. Trotzdem müssen wir Anreize schaffen, damit sie im Tarifsystem des Öffentlichen Dienstes bleiben. Zum Beispiel eine gute Stimmung im Team, agile Arbeitsmethoden, spannende Projekte, moderne Ausstattung. Generell ist eine Universität ein tolles Arbeitsumfeld. Bei uns kann man sich wirklich austoben und neue Ideen einbringen.
- Informationen zur Digitalisierungsstrategie der TUM: www.digitalisierung.tum.de
- Sie haben Ideen für die Digitalisierung von Prozessen, Aufgaben und Tätigkeiten? Reichen Sie diese im TUM Idea Portal ein! (Log-in mit TUM-Kennung): www.digitalisierung.tum.de/tum-idea-portal-online
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