wahl.chat: KI-Tool von Studierenden hilft bei der Wahlentscheidung

Technologie für Teilhabe

Nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl, höchste Zeit also, die eigene Wahlentscheidung zu treffen. Welche Partei teilt meine Werte? Wer verfolgt welche Policy-Ziele? Aber auch: Wie realistisch ist deren Umsetzung und welche Folgen hätte sie? Mit wahl.chat haben fünf Studierende der TUM, der LMU und der University of Cambridge ein KI-basiertes Online-Tool geschaffen, das auch solche komplexen Fragestellungen fundiert beantworten kann – und damit die demokratische Teilhabe stärkt.

Gruppenfoto der fünf Gründer von wahl.chat Sebastian Maier, Anton Wyrowski, Michel Schimpf, Robin Frasch und Roman Mayr, in einem repräsentativen Raum vor goldenen Säulen und Gemälden an den Wänden stehend Helen Sophie Vagedes
Die Gründer von wahl.chat: Sebastian Maier, Anton Wyrowski, Michel Schimpf, Robin Frasch und Roman Mayr (v.l.n.r.)

Es ist nur ein Zufall, dass Robin Frasch, Sebastian Maier, Roman Mayr, Michel Schimpf und Anton Wyrowski just im Mutterland des modernen Parlamentarismus beschlossen haben, ein Wahlhilfetool zu entwickeln, das mehr kann als die etablierten Angebote – aber vielleicht ein vielsagender. Die fünf kannten sich bereits aus München und forschten gerade in Cambridge für ihre jeweiligen Master- und Doktorarbeiten, als sie beim Mittagessen über die bevorstehenden Wahlen ins Gespräch kamen. Sie waren sich einig: Es müsste doch besser und einfacher möglich sein, sich über die Programme und Politiken der Parteien zu informieren.

Technische und gesellschaftliche Potenziale heben

„Als Informatiker und Psychologen waren wir nicht nur enttäuscht von den technischen Potenzialen, die bisherige Wahlhilfeprogramme ungenutzt lassen“, berichtet Robin Frasch, der derzeit an der TUM sein Masterstudium in Robotics, Cognition, Intelligence abschließt, „sondern vor allem davon, dass so auch partizipatorische Potenziale nicht gehoben werden.“ Denn bislang basieren viele Tools darauf, dass Nutzerinnen und Nutzer sich zu vordefinierten Thesen verhalten. Die Gruppe um Frasch wollte mehr, das Ziel war ein wirklich interaktives Tool zur individuellen Interaktion mit den Standpunkten der Parteien. Und so entwickelte sie ein neues Angebot: wahl.chat.

Binnen einer Woche stand das Konzept, nach einem Monat ging der Prototyp live und seit Januar steht wahl.chat allen Politikinteressierten zur Verfügung. Auf der Basis verschiedener Large Language Models (LLM) wie ChatGPT-4o und der intelligenten Suchmaschine Perplexity AI bietet wahl.chat die Möglichkeit, Fragen zur Politik verschiedener Parteien zu stellen, die zur Bundestagswahl antreten. Nutzerinnen und Nutzer können in einen offenen Dialog mit dem LLM treten, um fundierte Antworten auf ihre spezifischen Fragen zu erhalten. wahl.chat bezieht dabei nicht nur Absichtserklärungen mit ein, es gleicht die Programmatik auch mit dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten im Bundestag ab und schätzt unter Rückgriff auf Nachrichtenquellen ein, ob und wie Wahlversprechen tatsächlich realistisch umgesetzt werden können. Denn mindestens so interessant wie die Frage, ob eine Steuer gesenkt werden soll, ist die, ob das auch finanzierbar ist.

Vom Dialog mit der KI zum Dialog mit der Politik

„Letztlich können LLMs Informationshürden in so gut wie jedem Bereich abbauen“, zeigt sich Frasch überzeugt. Und wo wäre das relevanter als bei der demokratischen Meinungsbildung. Diese weiter zu stärken ist das Ziel der Gruppe, auch über die Bundestagswahl hinaus.

Noch sind lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Absehbar sollen zum Beispiel weitere Dokumententypen wie Plenarprotokolle die Datenbasis erweitern und möglichst große Teile der politischen Berichterstattung berücksichtigt werden. Und damit nicht genug: Perspektivisch könnte sich wahl.chat zu einer Plattform entwickeln, über die Bürgerinnen und Bürger nicht nur Antworten auf ihre Fragen zum politischen Geschehen erhalten, sondern auch ihre Wünschen an die politischen Akteure formulieren können. Der Dialog über Politik würde so zu einem Dialog mit der Politik.

Dafür muss wahl.chat auf eine auch wirtschaftlich solide Grundlage gestellt werden, die Objektivität und Neutralität weiterhin gewährleistet. Denn bislang finanziert sich das Projekt ausschließlich aus Spenden. Und die braucht es. „Wir wollen möglichst viele erreichen – aber jede neue Nutzerin, jeder neue Nutzer kostet Geld.“ Mehr als 150.000 Menschen haben das Tool bislang genutzt, um sich über die Politik der Parteien zu informieren. Und die Zahlen steigen stark an.

Diese Nachfrage zeigt, wie wertvoll technologisch avancierte Angebote sind, um die Teilnahme am politischen Prozess zu unterstützen. Robin Frasch appelliert, diese Möglichkeiten zu nutzen: „Informiert Euch – und dann geht wählen!“

Technische Universität München

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