Mit genauen Modellen Verkehr in Städten planen
Smarte Simulationen für urbane Mobilität
Wir fahren einkaufen, zur Arbeit oder in den Urlaub. Züge transportieren Güter über weite Strecken, Lastwagen versorgen Baustellen mit neuem Material oder Geschäfte mit Ware. Mobilität ist nicht nur ein menschliches Grundbedürfnis, sondern auch ein wichtiger globaler Faktor. Doch Kreuzungen oder Straßenführungen sind an jedem Ort unterschiedlich. Projekte von Verkehrs- und Straßenplanern und -planerinnen wie zum Beispiel die Elektrifizierung des Nahverkehrs müssen immer individuell umgesetzt werden.
An diesem Punkt werden digitale Modelle sehr hilfreich. Forschende der TUM haben die Software „City Mobility Simulator“ (CityMoS) mitentwickelt, mit der sich sehr detaillierte Simulationen ganzer Städte erstellen und berechnen lassen – auf handelsüblichen Computern. Entstanden ist CityMoS in Singapur an der multidisziplinären Forschungsplattform „TUM Campus for Research Excellence and Technological Enterprise“, kurz TUMCREATE, deren Forschung größtenteils von der „National Research Foundation Singapore“ finanziert wird. Gemeinsam mit Partneruniversitäten wie der Nanyang Technological University (NTU), öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen und Industriepartnern treiben die Forscherinnen und Forscher dort Zukunftstechnologien voran. Die TUM ist seit 2002 mit ihrem Studiencampus TUM ASIA in Singapur vertreten.
Dr. David Eckhoff ist seit 2016 in Singapur als leitender Wissenschaftler für den Simulator in verschiedenen Projekten verantwortlich. Er erklärt: „Verkehr ist ein Resultat von Mobilität. Und so unterschiedlich wie Dörfer oder Städte sind, so variabel sind auch die Anforderungen an die Verkehrsplanung. Unser Simulator kann hierauf sehr gut reagieren.“
Parallele Rechenleistung für Detailgenauigkeit
Simulationen größerer Gebiete wie zum Beispiel ganzer Städte beruhen meist auf mathematischen Formeln oder auf vereinfachten Bewegungsmodellen. Alternativ gibt es mikroskopische Modelle, das heißt sehr genaue Darstellungen, in denen das Verhalten jedes einzelnen Fahrzeugs abgebildet werden wie das detaillierte Beschleunigungs- und Bremsverhalten und die Fahrspurwahl. Weil diese Detailtreue eine höhere Rechenleistung erfordert, waren bisher solch hochaufgelöste Simulationen nur für kleinere Bereiche wie Kreuzungen oder Stadtviertel sinnvoll anwendbar.
Hier setzt CityMos an: Dr. Eckhoff und sein Team haben ihr smartes Simulationswerkzeug so entwickelt, dass sich gleichzeitig alle Prozessoren eines Computers für die Berechnung einer Simulation effizient einsetzen lassen. Das Ergebnis: es entstehen detaillierte Simulationen für ganze Städte und ihres Verkehrs auf normalen Rechnern. Das Simulationsprogramm kann zudem mehrere Mobilitätsaspekte gleichzeitig simulieren. So analysiert es das Pendlerverhalten, berücksichtigt den öffentlichen Nahverkehr oder bildet den Ladevorgang von E-Fahrzeugen ab – bezieht also nicht nur den Verkehr, sondern alle Mobilitätsfaktoren mit ein.
Das weite Einsatzfeld von CityMoS brachte Dr. Eckhoff und zwei Kollegen auf die Idee, ihr Produkt auch kommerziell nutzbar zu machen. Sie gründeten deshalb 2020 das Unternehmen intobyte in Singapur. Inzwischen haben sie Kunden in Asien und Europa und bieten ihren Service und die Nutzung der Software weltweit an.
Datenqualität entscheidend für Simulation
Seit 2012 war für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von TUMCREATE der Stadtstaat Singapur das erste Testfeld des Simulators, damals unter der Leitung von Professor Alois Knoll vom TUM-Lehrstuhl für Robotik, Künstliche Intelligenz und Echtzeitsysteme. Inzwischen existiert ein kompletter digitaler Zwilling der Stadt, an dem sie unterschiedliche Fragestellungen untersuchen: Wo müssen Ladesäulen stehen für die Elektrifizierung des Lieferverkehrs? Was ist zu beachten, wenn die Busflotten elektrifiziert werden? Wann und wie viel Strom muss für Fahrzeugladungen eingeplant werden?
Ganz gleich, welche Fragen mit Hilfe des Werkzeuges beantwortet werden soll – entscheidend ist immer die Datengrundlage. „Stehen nur unvollständige oder ungenaue Daten zur Verfügung, dann ist eine Simulation nicht wirklich aussagekräftig. Daten sind die Grundlage für intelligente Lösungen – da hat sich in den letzten 10 Jahren glücklicherweise viel getan“, sagt Dr. Eckhoff.
Daten können aus unterschiedlichen Quellen kommen: von kommerziellen Partnern wie Autoherstellern, von Ampelbetreibern oder von staatlichen Stellen wie zum Beispiel aus Bürgerbefragungen. Singapur ist auch hier für die Forschenden ein idealer Ort: Die staatliche Straßenverkehrsbehörde stellt in ihrer „DataMall“ öffentlich viele Daten zur Verfügung, die bei der Modellierung der Stadt helfen.
Forschungsplattform für internationalen Austausch
Die TUM hat mit TUM Asia auch einen Lehrcampus in Singapur. Die Forschenden bei TUMCREATE profitieren aber auch von anderen Niederlassungen weltweit führender Forschungsinstitutionen, wie etwa dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), der University of Cambridge oder der ETH Zürich, die sich ebenfalls auf dem CREATE Campus befinden. „Wir haben hier auf bei CREATE kurze Wege und das macht Kooperationen mit Top-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern sehr einfach. Für junge Nachwuchsforschende, die hier arbeiten, ist das eine große Chance ihr wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen und an hochaktuellen Forschungsfragen zu arbeiten“, meint Dr. Eckhoff.
Der Artikel wurde bereits auf der Webseite "Research in Bavaria" des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst veröffentlicht:
https://www.research-in-bavaria.de/smart-simulations-for-urban-mobility/
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