Humboldt-Professuren für Angela Schoellig und Daniel Rückert
Künstliche Intelligenz für bessere Diagnosen und hilfreiche Roboter
TUM: Frau Prof. Schoellig, Herr Prof. Rückert, zu Beginn eine Verständnisfrage: Was kann Künstliche Intelligenz (KI) besser als der Mensch?
Daniel Rückert: KI kann vor allem sehr viel größere Datenmengen verarbeiten als der Mensch. In meinem Fachbereich, dem Einsatz von KI in der Medizin, ist das ausgesprochen nützlich. So kann KI zum Beispiel alle radiologischen Untersuchungen weltweit auf Muster durchforsten und so in aktuellen Aufnahmen von Patienten auch Hinweise auf sehr seltene Krankheiten entdecken, die Medizinerinnen und Medizinern womöglich durchrutschen würden, weil sie kaum Erfahrungen damit machen können.
TUM: Das ist ziemlich viel Verantwortung für die Künstliche Intelligenz. Da kann es ja um Leben und Tod gehen.
Rückert: Ja, aber die Entscheidung über Leben und Tod wird nie von der KI getroffen. Sie hilft lediglich als Werkzeug den Medizinerinnen und Medizinern und gibt Empfehlungen für erfolgversprechende Behandlungsmethoden. In vielen Bereichen kann die KI eine sehr hohe Treffsicherheit bei der Diagnose erreichen, die teilweise höher ist, als bei medizinischen Expertinnen und Experten. Aber natürlich muss die KI auch vertrauenswürdig sein und dementsprechend getestet werden. Wenn sie die Patienten fragen, würde jeder sagen: Ich will hören, was die KI herausgefunden hat!
TUM: Frau Prof. Schoellig, auch in Ihrem Fachgebiet, dem Maschinellen Lernen und Autonomen Fahren geht es ja um Sicherheit.
Angela Schoellig: Ja, aber bei Fahrzeugen oder Robotern, die sich in unserer Umwelt bewegen, kommt noch hinzu, dass sich die jeweilige Umgebung ständig verändert und sie darauf reagieren müssen. Es geht also nicht nur um das Erkennen von Mustern in riesigen Datenmengen, sondern auch um die schnelle und passende Aktion. Bisher konnten Roboter nur genau das tun, was ihnen einprogrammiert wurde. Mit Hilfe des Maschinellen Lernens und der Algorithmen, die wir entwickeln, können sie künftig hochkomplexe Aufgaben erledigen, wie zum Beispiel ein Auto sicher durch den chaotischen Verkehr einer Innenstadt zu steuern – und das bei jedem Wetter.
TUM: Wie stellen Sie sicher, dass das fehlerfrei gelingt?
Schoellig: Sicherheit zu garantieren ist extrem schwierig, auch menschliche Handlungen sind ja nicht immer fehlerfrei. Ein wichtiger Aspekt meiner Forschung ist es, Sicherheitsfragen als festen Bestandteil in der Soft- und Hardware zu integrieren und dann auch in der freien Wildbahn zum Funktionieren zu bringen.
TUM: An Sie beide die Frage: Was ist Ihr großes Forschungsziel? Wohin soll der Weg gehen?
Rückert: Ich habe zwei große Ziele: Hausärzte sind ja die wichtigsten Vertrauenspersonen für Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden, aber sie können sich nicht in allen komplizierten Fachthemen perfekt auskennen. Hier soll die KI ihnen helfen, schon beim ersten Kontakt mit den Patienten die richtige Diagnose zu stellen und eine Behandlung einzuleiten. Und mein zweites großes Forschungsziel ist es, mit Hilfe von KI personalisierte Behandlungen und Medikationen für jeden Patienten anbieten zu können. Jeder Mensch ist ja unterschiedlich und reagiert individuell auf Wirkstoffe. Dabei spielt auch die Genetik eine große Rolle. Das ist hochkomplex und mit riesigen Datenmengen verbunden. Deshalb kann hier die KI ihre Stärken ausspielen.
Schoellig: Mich interessiert insbesondere die Umsetzung von Maschinellem Lernen und Robotik in Produkte für den Alltag. Es geht also um die Entwicklung von sicheren und effizienten Hilfsrobotern. Diese können zum Beispiel in Warenlagern eingesetzt werden oder auch in Krankenhäusern und Supermärkten. Sie können selbständig Regale auffüllen, das Pflegepersonal bei der Essensausgabe unterstützen oder auch in Klamottenläden die anprobierte Kleidung wieder auf die Bügel hängen. Die Robotik wird so das Leben vieler Menschen leichter machen.
Prof. Angela Schoellig forschte zuletzt am Dynamic Systems Lab der University of Toronto. Dabei arbeitet sie sowohl theoretisch als auch an praktischen Anwendungen wie selbstfahrenden Autos. Sie promovierte 2013 an der ETH Zürich und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen und Förderungen, zuletzt etwa den Canada CIFAR AI Chair vom Canadian Institute for Advanced Research. Schoellig ist nun TUM Professorin für Sicherheit, Performanz und Zuverlässigkeit lernender Systeme. Ihr Lehrstuhl ist zudem ein Stiftungslehrstuhl der Infineon Technologies AG .
Prof. Daniel Rückert studierte Informatik an der Technischen Universität Berlin. Er wurde 1997 am Imperial College London promoviert und war dort – vor seinem Wechsel an die TUM – Professor of Visual Information Processing und Dekan des Department of Computing. Rückert hat wegweisende Verfahren entwickelt, mit denen Künstliche Intelligenz besonders aussagekräftige Bilder aus Aufnahmen der Computertomographie oder Magnetresonanztomographie erzeugen, diese analysieren und für eine verbesserte medizinische Diagnostik interpretieren kann.
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