Exzellenzcluster e-conversion
Kreative Ideen für die Energiewende
Herr Bein, Sie haben die Anfänge des Exzellenzclusters gemeinsam mit den TUM-Kollegen Ulrich Heiz und Karsten Reuter, der jetzt am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft forscht, intensiv begleitet. Wie entstand überhaupt die Idee für e-conversion?
Thomas Bein: In München ist über viele Jahre hinweg ein Schwerpunkt im Bereich der Nanowissenschaften entstanden, in der wir der Frage nachgegangen sind, wie man unterschiedliche Nanostrukturen aufbauen und untersuchen kann. Daraus entwickelte sich die Idee und der Wunsch, dieses herausragende Knowhow einzusetzen, um Prozesse in der Energieumwandlung effizienter gestalten zu können. Im Grunde nutzen wir die Kenntnisse aus der Nanowissenschaft, um genau definierte Modellstrukturen zu bauen und damit mechanistische Fragestellungen der Energieumwandlung zu beantworten.
Praktisch bedeutet das, einen bestimmten Energieumwandlungsprozess zu verbessern?
Thomas Bein: Man kann generell sagen, dass fast alle Energieumwandlungsprozesse, die wir heute nutzen, effizienter werden können. Das ist auch der Grund, warum wir uns bei e-conversion nicht nur auf Photovoltaik- oder Batterieforschung konzentrieren, sondern wir wollen verstehen: Gibt es gemeinsame Effekte und Phänomene? Können wir mit diesem Wissen photoelektrochemische, photovoltaische und photokatalytische Systeme quasi gleichzeitig verbessern?
Diese grundlegende Herangehensweise ist nicht leicht zu erklären. Wäre es nicht einfacher, an einer konkreten Anwendung zu forschen als übergreifende Prozesse zu optimieren?
Thomas Bein: Der klassische Ansatz ist tatsächlich eher vertikal, also zum Beispiel in der Photovoltaik nach dem besten, stabilsten Material zu suchen, um Sonnenlicht einzufangen und es in Strom umzuwandeln und es dann für die Massenproduktion zu optimieren. Im Gegensatz dazu hat sich e-conversion sehr breit aufgestellt. Das hat Überzeugungsarbeit gekostet. Aber am Ende wurde unser Ansatz begeistert aufgenommen. Und tatsächlich sind wir bisher sehr erfolgreich.
Jennifer L.M. Rupp: Es gibt in der Energieforschung zwar sehr verschiedene Materialklassen, aber bestimmte Mechanismen sind ähnlich. Etwa die Transportvorgänge von Ladungsträgern oder Ionen an Grenzflächen – ganz gleich, ob in Batterien oder Photovoltaikzellen. Die Ergebnisse sehen wir in zahlreichen Publikationen und Patenten, in Industriekooperationen und Start-ups – und besonderen Initiativen wie der Gründung des SolBat-Zentrums. Dort werden Solarbatterien erforscht, die optische und elektrische Komponenten vereinen. Das Zentrum ist gewissermaßen ein vertikaler Ast aus der breit angelegten Forschung von e-conversion.
Wie die Energie der Zukunft aussieht, ist ja eine der ganz großen Fragen unserer Zeit. Wird das e-conversion-Modell kopiert, gibt es Konkurrenz?
Thomas Bein: Es braucht Mut, auf jeden Fall – und Menschen, die sich diesem Abenteuer verschreiben. Wir haben das Glück, exzellente Kolleginnen und Kollegen an Bord zu haben. Die Atmosphäre und Kultur im ehemaligen Cluster Nanosystems Initiative Munich (NIM) war schon extrem explorativ und pionier-orientiert. Da wurde die Brücke geschlagen von Quantenprozessen bis hin zu komplexen biologischen Vorgängen. Davon profitieren wir jetzt. München hat eine starke Scientific Community und Forschende, die bereit sind, neue Dinge anzugehen. Hinzu kommt natürlich: Das Thema der effizienten Energieumwandlung drängt – weltweit. Es gibt zwar in den USA einige sehr große Initiativen, etwa das Center for Artificial Photosynthesis in Kalifornien, mit einem ähnlichen Volumen wie ein Exzellenzcluster, aber es ist nicht so breit aufgestellt. Wir sind hiermit schon recht einmalig!
Jennifer L.M. Rupp: Ich bin ja erst vor ein paar Jahren vom MIT dazu gestoßen und muss sagen: Es ist absolut faszinierend, was hier in München entstanden ist. Insbesondere der kreative Austausch und die bereichernde Atmosphäre.
Thomas Bein: Das mag auch an dem egalitären Ansatz liegen, für den wir uns entschieden haben. Der hat sich bereits bei NIM bewährt. Alle Principal Investigators werden gleichwertig behandelt. Und wir hatten den Mut, ein breites Fachspektrum abzudecken: von der anorganischen und organischen Synthese über Materialwissenschaften über die theoretische Chemie und Physik bis hin zu Katalyse- und Batteriezellforschung – um ein paar Beispiele zu nennen. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit kann das herausfordernd sein, aber es führt zu neuen Ideen und beflügelt die Kreativität ungemein.
Ich wünsche mir, dass alle Cluster-Anträge zur Energieforschung angenommen werden. Wir brauchen das in Europa ganz dringend.
Welche Highlights und großen Entdeckungen aus e-conversion 1.0, also der ersten Förderperiode, würden Sie nennen?
Jennifer L.M. Rupp: Für mich zählen die Solarbatterien dazu. In ihnen sind Solarzelle und Batterie nicht getrennt, sondern in einem einzigen Bauteil integriert. Es wandelt Sonnenlicht direkt in elektrochemische Energie um und speichert sie. Das ist die entscheidende Innovation von Solarbatterien. Im gleichen Atemzug kann man die Optoionik als weiteres Highlight nennen. Dieses ganz neue Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Kontrolle von Ionen durch Licht. Der Gedanke ist: Licht kann Ionen dazu bringen, sich in einem Material oder an einer Grenzfläche schneller zu bewegen. So sind in Anwendungen wie Batterien schnellere Ladezeiten oder größere Speicherkapazitäten möglich. Im bereits erwähnten weltweit einzigartigen SolBat-Zentrum wollen wir Materialien designen, in denen diese optische Anregung funktioniert. Solche Forschungsansätze passen wunderbar zu e-conversion, weil sie viele physikalische Überlegungen – von der Photovoltaik bis zur Mechanik von Teilchen – zusammenbringt. Die Optoionik verspricht ein enormes Potential für diverse solare und optische Anwendungstechnologien nicht nur in der Energiespeicherung und -konversion, sondern auch in der Informationstechnologie.
Wann wird es diesen Traum von einer Batterie, die den Solarstrom direkt chemisch speichert und unsere Energieprobleme löst, geben?
Thomas Bein: Das ist tatsächlich noch ein weiter Weg. Es ist auch nicht unbedingt das Ziel des Exzellenzclusters, ein solches Bauteil zu designen. Wir haben eine andere Aufgabe: die fundamentalen Konzepte für Batterien zu finden, die in 15 oder 20 Jahren auf den Markt kommen. Trotzdem sind wir von gesamtheitlichen Lösungen nicht so weit weg. Die Vision, dass Solarpanels mit energiespeichernden Schichten ausgestattet werden, ist realistisch. Das ist bereits enorm viel Speicherfläche für Sonnenenergie – und funktioniert sogar in Bayern!
Jennifer L.M. Rupp: Wir müssen uns klar machen: Wir bekommen 170.000 Terrawatt an Energie gratis von der Sonne – die Welt braucht lediglich 23.000 Terawatt. Die Frage ist nur, wie speichern wir sie schnell und effizient.
Gibt es ein weiteres Highlight aus e-conversion 1.0?
Thomas Bein: Ich denke, man kann die Weiterentwicklung einer sehr spannenden Substanzklasse für Solarzellen nennen: die Perowskite. Zwar nutzt man in den absorbierenden Materialien typischerweise Silizium, was gut funktioniert und sehr stabil ist. Aber der Herstellungsprozess ist teuer und der Wirkungsgrad der Solarzellen auf etwa 25 Prozent begrenzt. Wer mehr will, braucht Tandemzellen: Sie bestehen aus unterschiedlichen Materialschichten, die auf das jeweilige Spektrum des Sonnenlichts optimiert sind, und so die Effizienz von Solarzellen steigern. Dafür sind Perowskite ein aussichtsreicher Kandidat, weil sie viele sehr günstige Eigenschaften in sich vereinen. Aber: Die Verbindungen sind nicht so stabil und sie enthalten toxisches Blei. Wir wollten das ändern und Perowskite mit ungiftigen Elementen herstellen. Daraus hat sich eine erfolgreiche Forschungsgeschichte entwickelt. Wir haben neue Strategien entworfen und Synthesen entwickelt und schließlich ein ungiftiges „Anti-Perowskit“ hergestellt – vereinfacht gesagt, wechseln dabei Elementgruppen in der sehr charakteristischen Kristallstruktur die Plätze. Das war eine geniale Idee, die unsere Forschungsgruppen gemeinsam entwickelt haben. Diese Teamarbeit ist beispielhaft für e-conversion. Die Stabilität der Anti-Perowskite konnten wir zwar noch nicht verbessern, aber dafür lassen sich Lösungen finden – ähnlich wie schützende Versiegelungen in LED-Displays. Das Beispiel zeigt, wie wir systematisch vorgehen, um Materialien zu optimieren.
Gibt es weitere Beispiele, bei denen e-conversion-Teams so eng zusammengearbeitet haben?
Thomas Bein: Ein schönes Beispiel für die horizontale Vernetzung sind unsere Forschungsgruppen, die sich mit Antennenphänomenen beschäftigen. Sie arbeiten an Nanostrukturen, mit denen sich Licht sehr stark und lokal konzentrieren lässt. Das ist dann wiederum für katalytische Prozesse relevant – sprich Photokatalyse, also durch Licht angetriebene chemische Reaktionen. Das ist extrem interessant, um Wasserstoff nachhaltig herzustellen oder CO2 in erneuerbare Treibstoffe umzuwandeln.
e-conversion befasst sich mit der Energiefrage – eines der großen, weltbewegenden Themen. Wird daran ausreichend geforscht?
Jennifer L.M. Rupp: Erneuerbare Energien und nachhaltige Energieumwandlung und -speicherung sind einige der drängendsten Zukunftsfragen. Ich wünsche mir, dass alle vorliegenden Cluster-Anträge mit Energiethemen angenommen werden. Wir brauchen das in Europa ganz dringend.
Thomas Bein: In der Tat! e-conversion zeigt, dass sich TUM und LMU ganz bewusst dieser wichtigen Energiezukunftsfrage annehmen. Ich denke, eine wichtige Basis dafür ist: Wir haben hier in München eine kritische Zahl von Expertinnen und Experten aus diversen Fachbereichen wie Physik, Chemie, Material- und Nanowissenschaften erreicht. Zusammen mit den Forschenden der beteiligten Max-Planck-Institute – also Fritz-Haber-Institut, MPI für Festkörperforschung, MPI für Energiekonversion und MPI für Kohleforschung – sind wir stark genug, um erfolgreich zu sein. Während der Laufzeit von e-conversion 1.0 haben wir exzellentes Hightech-Equipment aufgebaut. Da sind beispielsweise Elektronenmikroskopie oder Röntgenspektroskopie, die unsere Forschung auf ein ganz neues Niveau heben. Wir können damit sozusagen in Echtzeit einzelnen Atomen bei Vorgängen wie dem Entladen einer Batterie zuschauen. Das bringt enorme Erkenntnisgewinne. Zudem haben wie sehr gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen können und nach München geholt, die uns dem großen Ziel mit ihren Forschungen weiterbringen.
Es braucht Menschen, die mutig genug sind, um auch unkonventionelle Ansätze zu wagen.
Was ist für Sie die größte Motivation an e-conversion mitzuwirken?
Jennifer L.M. Rupp: Am Ende des Tages muss für mich unsere Forschung eine Wirkung erzielen. Dafür gibt es sehr viele verschiedene Währungen. Publikationen gehören dazu. In e-conversion wurden mehr als 930 Paper veröffentlicht. Aber Innovation heißt auch, geistiges Eigentum zu kreieren – sprich Patente. Sie sind die Basis dafür, dass sich später mit Industriepartnern Ideen schneller weiterentwickeln können. Das Wissen kann auch in die Gründung von Startups fließen. In dieser Hinsicht hat München vor allem mit der UnternehmerTUM und TUM Venture Labs ein herausragendes Ökosystem geschaffen. Aus e-conversion heraus wurden erfolgreich sieben Startups gegründet, die extrem breit gefächert sind – von Batterien über Katalyse und erneuerbare Treibstoffe bis hin zu innovativen Messtechniken. Hier wird wieder die horizontale Ausrichtung des Exzellenzclusters sichtbar.
Thomas Bein: Alle diese Erfolge sind natürlich nur möglich durch die vielen Menschen, die dazu beitragen. Hier möchte ich vor allem die über 240 Postdocs, Doktoranden und Doktorandinnen erwähnen, die bereits sehr engagiert in e-conversion gearbeitet haben und den e-conversion-Spirit weitergetragen haben. Es braucht Menschen, die mutig genug sind, um auch unkonventionelle Ansätze zu wagen und „out of the box“ zu denken. Das ist nicht nur motivierend und macht einfach Spaß, sondern daraus entwickeln sich auch zahlreiche neue Ideen, Impulse und Innovationen!
- e-conversion ist eines von derzeit vier Exzellenzclustern an der TUM.
- Mehr zur Energieforschung an der TUM finden Sie unter tum.de/energie.
Technische Universität München
Corporate Communications Center
- Jeanne Rubner
- rubner @tum.de
- presse @tum.de
- Teamwebsite
Kontakte zum Artikel:
Prof. Dr. Jennifer L.M. Rupp FRSC
Professur Festkörperelektrolyte
TUM School of Natural Sciences