• 16.12.2024
  • Lesezeit: 6 Min.

Exzellenzcluster e-conversion

Mission: Künstliches Blatt

Im Exzellenzcluster e-conversion untersuchen Forschende, wie Energie effizienter und nachhaltiger umgewandelt werden kann. Dabei lassen sie sich vom Prinzip der Fotosynthese inspirieren.

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Wir schreiben das Jahr 2040: Auf den Dächern von Wohnhäusern, Fabrikhallen und Wolkenkratzern funkeln revolutionäre Anlagen. Sie fangen Sonnenlicht ein und entziehen der Luft Kohlendioxid (CO2). In ihrem Innern stellen Hightech-Materialien Solarstrom her und machen die Energie zugleich für chemische Reaktionen zugänglich. Ohne Umwege, etwa über Batteriespeicher, werden aus klimaschädlichem CO2 grüne Kraftstoffe wie Wasserstoff (H2) und wichtige Grundchemikalien für die Industrie. Als „Abfallprodukt“ entsteht lediglich Sauerstoff. Um solche Anlagen, die wie künstliche Blätter funktionieren, Wirklichkeit werden zu lassen, ahmen Forschende im Exzellenzcluster e-conversion das Prinzip der Fotosynthese nach. Dazu braucht es vor allem geeignete Materialien, sogenannte Fotokatalysatoren.

Katalysatoren verstehen und verbessern

Rund 944 Millionen Terawattstunden Energie schickt die Sonne pro Jahr auf die Erde. Nur ein Bruchteil davon wäre nötig, um den weltweiten Energiebedarf zu decken. „Derzeit wird Sonnenenergie vor allem genutzt, um Wärme via Solarthermie zu erzeugen oder Strom mithilfe der Fotovoltaik. Beide Energieformen lassen sich in einem zweiten Schritt industriell nutzen“, erklärt Prof. Ian Sharp, Materialwissenschaftler an der TUM und Koordinator des Exzellenzclusters e-conversion. „Fotokatalysatoren hingegen können mehr, nämlich die Solarenergie direkt für chemische Reaktionen bereitstellen. 

Die natürliche Fotosynthese ist für die Forschenden eine Inspirationsquelle, aber kopieren wollen sie sie nicht. Denn der Prozess ist komplex und mit einer Lichtausbeute von rund einem Prozent nicht besonders effizient. Was für das Pflanzenwachstum ausreicht, ist für eine technische Umsetzung und wirtschaftliche Nutzung viel zu wenig. Deshalb suchen die Forschenden nach Materialien und Verfahren, um chemische Grundstoffe und Energieträger effizient und nachhaltig herzustellen und damit einen wichtigen Baustein für die Energiewende zu liefern und den Bedarf der Industrie an fossilen Rohstoffen drastisch zu senken. 

„Um künstliche Fotosynthese in Molekülform effizient umzusetzen, müssen noch einige Hürden überwunden werden. Eine entscheidende Rolle spielen katalytische Prozesse“, erklärt Sharp. Bei der Katalyse werden chemische Reaktionen von einem Stoff, dem Katalysator, beschleunigt, ohne dass dieser sich verändert oder aufbraucht.

„Im Fokus von e-conversion stehen die Grenzflächen, denn dort treffen Katalysator und reagierende Moleküle zusammen.“ An diesen Schnittstellen gibt es viele Wissenslücken, die die Forschenden schließen wollen. Sie entwickeln geeignete Materialien und entschlüsseln molekulare und atomare Katalysevorgänge. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf Halbleitermaterialien, weil sie spezielle optische und elektronische Eigenschaften haben: Sie können Licht effizient einfangen und dessen Energie nutzen, um im Halbleiter negative und positive Ladungen zu erzeugen. Dadurch wird die Energie des Lichtes für chemische Reaktionen verfügbar.

Ein großer Teil der Forschung von Ian Sharp und seinem Team konzentriert sich auf die CO2-Reduktion. Gelingt sie, ließe sich Kohlendioxid mit Sonnenlicht in industriell interessante Moleküle wie Kohlenwasserstoffe oder Alkohole überführen. Allerdings ist die CO2-Konzentration in der Luft gering. „Um es dennoch katalytisch umsetzen zu können, haben wir eine maßgeschneiderte Nanobeschichtung entwickelt“, erklärt Sharp. „Mit diesem Trick erhöhen wir die CO2-Menge an der Katalysatoroberfläche und machen das Gas zugleich reaktiver.“ Um das CO2 im nächsten Schritt effizient in ein gewünschtes Produkt umzusetzen, braucht es das perfekte Material. Wirft man einen Blick auf das Anforderungsprofil, muss es ein wahrer Tausendsassa sein: Langlebig und chemisch stabil soll das Material sein, effizient einen Großteil des sichtbaren Lichts absorbieren und dessen Energie in Ladungen überführen. Zudem darf es nur die gewünschte chemische Reaktion katalysieren und keine giftigen Elemente enthalten. 

Nanoeffekte nutzen

Das Periodensystem bietet dafür unendliche Möglichkeiten. Um die Suche nach neuen Materialien zu beschleunigen, setzen die Expertinnen und Experten auf Hochdurchsatz-Screenings und Künstliche Intelligenz. „Zudem liefern uns theoretische Berechnungen wichtige Hinweise, ob bestimmte Elementkombinationen stabil sind und die gewünschten optischen Eigenschaften mitbringen“, erklärt die Physikerin Johanna Eichhorn. Die Professorin der TUM School of Natural Sciences nutzt verschiedene Methoden, um neuartige Materialien im Labor herzustellen und die physikalischen Grundlagen der Energieumwandlungsprozesse zu charakterisieren. Besonders interessiert sie sich für die fotoelektrische Leistungsfähigkeit. „So beschreiben wir, wie effizient ein Material das Licht in elektrische Energie umwandelt“, sagt sie. „Gleichzeitig können wir aber auch ablesen, wie stabil es ist.“

Nanoeffekte können die Leistungsfähigkeit eines Materials positiv beeinflussen.

Eine entscheidende Rolle für die Katalysatoreigenschaften eines Materials spielt auch dessen Beschaffenheit. „Wir schauen uns die Kristallstrukturen und Bereiche, die von der regelmäßigen Ordnung abweichen, sehr genau an“, sagt Johanna Eichhorn. „Oftmals sind sie Andockstellen für Moleküle und somit der Ort, wo katalytische Prozesse beginnen.“ Zudem beeinflussen diese Unregelmäßigkeiten im Kristallgitter, welche Wege die Ladungen einschlagen – und damit auch die Reaktionen. Um ein möglichst genaues Materialprofil zu erhalten, zoomt die Forscherin mithilfe eines speziellen Rasterkraftmikroskops bis in die Nanostrukturen der Oberflächen und bildet die lokalen Unterschiede ab.

Gleichzeitig gewährt ihr das Gerät Einblicke in die elektronischen Eigenschaften – und zwar exakt an derselben Stelle. „So können wir Struktur und Eigenschaft auf der Nanoskala korrelieren. Das ist extrem wertvoll, weil wir die Auswirkungen makroskopisch sehen“, erklärt die Physikerin. „Wir stellen immer wieder fest, dass Nanoeffekte die Leistungsfähigkeit eines Materials positiv beeinflussen. Deswegen ist die Grundlagenforschung in diesem Bereich so wichtig.“ Idealerweise will Johanna Eichhorn die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um die Stabilität und Effizienz von Halbleitern für die solare Wasserspaltung und damit für die Wasserstoffproduktion zu verbessern.

Auch Prof. Emiliano Cortés nutzt die beeindruckende Wirkung der Nanoeffekte. Der Physiker vom Nano-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München leitet eine der 53 Forschungsgruppen von e-conversion und entwickelt sogenannte Superkristalle. Das sind etwa 100 Nanometer große Goldpartikel, die sich durch Selbstorganisation regelmäßig und sehr eng auf einer Oberfläche anordnen. Die Abstände dazwischen betragen nur fünf Nanometer. Dieses Arrangement verleiht diesen, plasmonisch genannten, Strukturen besondere Fähigkeiten: Sie können wie starke Linsen das Sonnenlicht konzentrieren und viel mehr Lichtenergie aufnehmen als eine flächendeckend mit Gold beschichtete Oberfläche. „Es entstehen zwischen den Goldpartikeln starke lokale elektrische Felder, die Hotspots“, erklärt Cortés. „Genau dort platzierten wir Platin-Nanopartikel, die dadurch Ameisensäure sehr effizient in den Energieträger Wasserstoff verwandeln.“ Die Gruppe hält derzeit den Weltrekord, was die H2-Produktion mithilfe von Sonnenlicht bei diesem System anbelangt.

Chemische Reaktionen entschlüsseln

An der TUM beschäftigen die winzigen Platin-Cluster auch das Team um Ulrich Heiz. Der Professor für Physikalische Chemie will herausfinden, wie viele Platinatome ein Nanopartikel idealerweise braucht, um damit effizient Wasserstoff zu erzeugen. „Dank unseres Hightech-Equipments können wir die katalytisch aktiven Cluster nicht nur atomgenau herstellen, sondern auch untersuchen, wie sie optimal auf einer Oberfläche platziert sein sollten“, sagt der Forscher. Die systematischen Studien bei e-conversion konnten außerdem zeigen, dass fotochemische Reaktionen, also durch Licht angetriebene chemische Vorgänge, anderen Regeln gehorchen, als bislang angenommen.

„Wir haben herausgefunden, dass Muster, nach denen beispielsweise elektrochemische Vorgänge ablaufen, bei der Fotokatalyse nicht gelten. Die Fotochemie eröffnet ganz neue Reaktionswege“, sagt Heiz. Wer diese kennt und versteht, ist in der Lage, geeignete Materialien zu finden, maßzuschneidern oder zu designen. „Jeder Wissensbaustein hilft uns, die Fotokatalyse besser zu verstehen und so einer Anwendung schrittweise näherzukommen“, sagt er. „Die e-conversion-Teams schöpfen aus dem Ideenreichtum unterschiedlicher Fachdisziplinen und sind sehr gut untereinander vernetzt. Eine gute Basis für Innovationen.“

 

Weitere Informationen und Links

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Ian Sharp
Professur für Experimentelle Halbleiterphysik
TUM School of Natural Sciences
ian.sharp(at)tum.de

 

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