• 13.6.2016

Forscher stellen neue Aspekte zur Landnutzung für das tropische Ecuador vor

Umweltschutz, Profit und Sicherheit durch Mosaik-Bewirtschaftung

Wie muss eine Landschaft genutzt werden, um sowohl ökologische als auch sozioökonomische Anforderungen zu erfüllen? Diese Frage hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) am Beispiel aufgegebener Weideflächen im Regenwald Ecuadors beantwortet. Mithilfe von Simulationen stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass der Schlüssel für dieses Multitasking wiederum eine möglichst vielfältige Bewirtschaftung ist. Die Ergebnisse wurden jetzt in "Nature Communications" veröffentlicht. <i>Diese Pressemitteilung in <link http://www.eurekalert.org/pub_releases_ml/2016-06/tuom-u060816.php>Spanisch </link>und <link http://www.eurekalert.org/pub_releases_ml/2016-06/tuom-u_1060816.php>Portugiesisch</link> auf EurekAlert.</i>

Forscher stellen neue Aspekte zur Landnutzung für das tropische Ecuador vor.
Forscher stellen neue Aspekte zur Landnutzung für das tropische Ecuador vor. (Bild: Julia Adams / Uni Bayreuth)

"Wir wollten herausfinden, wie eine Landschaft zusammengesetzt sein muss, um viele Ökosystemleistungen auf einmal und möglichst sicher zu erbringen", erklärt Studien-Erstautor Prof. Thomas Knoke, Inhaber der Professur für Waldinventur und nachhaltige Nutzung an der TUM. Unter Ökosystemleistungen verstehen Fachleute die Wirkungen eines Ökosystems, die für das Wohlbefinden der Menschen wichtig sind, wie Erosionsschutz, Bodenbildung oder Bereitstellung von Energieträgern.

Knoke und seine Kollegen simulierten in ihrer Studie verschiedene Landnutzungskonzepte. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht. Die Simulationen stützen sich auf Daten, die ein multi-disziplinäres Forscherteam in einem Zeitraum von 15 Jahren im tropischen Regenwald in Ecuador gesammelt hatte. Dort hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wiedereingliederung aufgegebener landwirtschaftlicher Flächen in die forstliche oder landwirtschaftliche Produktion untersucht.

Unsicherheiten ausgleichen

Das Ziel der auf Basis dieser Untersuchungen durchgeführten Simulationen war, bei einer Landnutzungsplanung 22 Indikatoren möglichst gleichberechtigt zu berücksichtigen. Bei den Indikatoren handelt es sich um 16 Kriterien aus dem Bereich Ökologie wie etwa Kohlenstoffspeicherung, Schutz vor Erosion, Verminderung des Abflusses von Oberflächenwasser und Klimaregulierung. Acht Kriterien stammen aus dem Bereich der Sozioökonomie, unter anderem die Frage, wie rentabel die Nutzung ist sowie welche Bewirtschaftung die einheimischen Landwirte bevorzugen würden.

Auch Unsicherheiten wurden in die Simulationen einbezogen. Gründe für diese Unsicherheiten sind beispielsweise Schwankungen in der Produktion von Lebensmitteln und Holz sowie Preisänderungen. Eine gute Mischung aus verschiedenen Landnutzungsformen wirkt dabei ausgleichend, da nicht alle Landnutzungsvarianten gleichermaßen von den Unsicherheiten betroffen sind. "Das funktioniert wie ein Aktien-Portfolio, in dem ja auch das Risiko auf viele Anlagen verteilt wird", erklärt Knoke.      

Flächenmosaik aus fünf Konzepten

Die Wissenschaftler hatten in einer vorangegangenen Studie bereits folgende fünf Nutzungskonzepte für die aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen erarbeitet und konnten die Ergebnisse nun für die Simulation der multifunktionalen Landnutzung verwenden:
•    keine Bewirtschaftung - aufgegebene Weideflächen bleiben sich selbst überlassen,
•    forstwirtschaftliche Nutzung - Bepflanzung mit einer einheimischen Erlenart,
•    forstwirtschaftliche Nutzung - Bepflanzung mit einer eingeführten Kiefernart,
•    extensive Weidenutzung - mechanische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung nach anfänglicher Düngung,
•    intensive Weidenutzung – chemische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung mit regelmäßiger Düngung.

Als optimales Ergebnis lieferten die Simulationen eine Art Flächenmosaik: 46 Prozent forstwirtschaftliche Nutzung mit 21 Prozent einheimischen Erlen und 25 Prozent exotischen Kiefern, 10 Prozent extensive Weidenutzung, 20 Prozent intensive Weidenutzung. 24 Prozent der Landschaft sollte gar nicht bewirtschaftet, sondern vielmehr der natürlichen Sukzession überlassen werden. Das Konzept der Kombination von verschiedenen Landnutzungsoptionen bietet einen Puffer bei unterdurchschnittlichen Ökosystemleistungen einer einzelnen Landnutzungskomponente, da die anderen Landnutzungsalternativen dies ausgleichen können.

Wenige Indikatoren führen nicht zu optimalem Multitasking

Werden statt 22 Indikatoren nur einzelne Ökosystemleistungen optimiert, etwa nur sozioökonomische, kann es zu sehr einförmigen Landschaften kommen. Zwar ist ein Landnutzungsmosaik das beste Konzept für einen Ausgleich von Unsicherheiten. Doch der Einfluss der Unsicherheiten ist nicht in allen Szenarien groß genug. Es kommt darauf an, welche Ökosystemleistungen genau optimiert werden und wie groß deren Unsicherheiten sind. Soll beispielsweise nur die Biomasseproduktion, die hydrologischen Indikatoren oder die Klimaregulation als jeweils alleiniges Ziel der Landnutzung festgelegt werden, kommt es zu gleichförmigen, entweder rein landwirtschaftlich oder rein forstwirtschaftlich geprägten Landschaften.

Schutz für den Regenwald

Auf 385 bis 472 Millionen Hektar Land weltweit wurde die vorherige land- oder forstwirtschaftliche Nutzung aufgegeben. Wenn diese Flächenressourcen in produktive, multifunktionale Landschaften umgewandelt werden könnten, würde dies zum Schutz des gefährdeten Tropenwaldes beitragen. "Momentan gibt es die Tendenz, solche Flächen allein mit exotischen Baumarten aufzuforsten", sagt Forstwissenschaftler Knoke. "Das ist jedoch vor dem Hintergrund der nun klar belegten großen Vorteile einer vielfältigen Landnutzung kritisch zu bewerten." Es seien allerdings Anreize nötig, - vor allem finanzielle Unterstützung der Landwirte - um das Konzept einer diversifizierten Landnutzung umsetzen zu können.

Die Forscher wollen ihren Planungsansatz nun auch auf andere Landschaftstypen weltweit anwenden. Dabei sollen die vorhandenen Landnutzungsformen wie zum Beispiel Naturwald, aktive landwirtschaftliche Bodennutzung und Plantagen mit einbezogen werden. Ein anderer wichtiger Punkt ist die konkrete räumliche Verteilung der Landnutzungsarten sowie Strukturelemente der Landschaft - wie etwa Hecken.

Publikation: Knoke T., et al. (2016): Compositional diversity of rehabilitated tropical lands supports multiple ecosystem services and buffers uncertainties, Nature Communications
DOI: 10.1038/ncomms11877   
 
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (Forschergruppen FOR 402 und 816, Transferprojekte PAK 823-825, www.tropicalmountainforest.org/). An der Studie beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Institutionen: Technische Universität München; Universität Bayreuth; Universität Marburg; Universität Münster; Justus Liebig Universität Gießen; Universidad Técnica Particular de Loja, Ecuador; Memorial University, St. John’s, Canada; Karlsruhe Institute of Technology.

Bildmaterial zum Download: mediatum.ub.tum.de

Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Knoke
Technische Universität München
Tel.: +49 8161 71-4700
knoke@tum.de
waldinventur.wzw.tum.de

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS