• 3.11.2016

RNA-basierte Genregulation mit dynamischen Proteinen

In Form für den richtigen Schnitt

Bevor genetische Information in Proteine umgesetzt wird, entfernt eine komplexe molekulare Maschine – das Spleißosom – nicht benötigte Sequenzen. Die korrekte Regulation des Spleißens spielt für viele zelluläre Prozesse eine zentrale Rolle. Mittels Kernspinresonanzmessungen und Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie hat ein Wissenschaftlerteam nun einen unerwarteten Mechanismus beim Zusammenbau des Spleißosoms entdeckt.

Bindung der großen Untereinheit von U2AF an die Vorläufer-Boten-mRNA – Bild: Christoph Hohmann / NIM
Bindung der großen Untereinheit von U2AF an die Vorläufer-Boten-mRNA – Bild: Christoph Hohmann / NIM

Ribonukleinsäure – kurz RNA – übermittelt die in den Genen gespeicherten Erbinformationen und damit die Bauanleitung für Proteine. Bei der Genabschrift im Zellkern entsteht zuerst eine Vorläufer-Boten RNA (mRNA), aus der durch eine komplexe molekulare Maschine im Zellkern – das Spleißosom – unterschiedliche nicht benötigte Abschnitte herausgeschnitten und entfernt werden.

Dieser Vorgang wird als alternatives Spleißen bezeichnet und spielt für die Genregulation eine wichtige Rolle, denn jeder der zurechtgeschnittenen mRNA-Stränge liefert den Bauplan für ein anderes Protein – ein Gen kann also in mehrere Proteine mit unterschiedlicher Funktion umgesetzt werden.

Wissenschaftler um Professor Don Lamb vom Department Chemie der LMU München und Professor Michael Sattler (Helmholtz Zentrum München und Technische Universität München (TUM)) konnten nun zeigen, wie strukturänderungen eines Proteins, das essentiell für den Zusammenbau des Spleißosoms an der mRNA ist, die Effizienz des Spleißens entscheidend beeinflussen.

Proteindynamik beeinflusst biologische Funktion

Das Spleißosom in menschlichen Zellen setzt sich für jede Aktion direkt auf der Vorläufer-mRNA aus zahlreichen Einzelteilen neu zusammen. „Voraussetzung dafür ist, dass es spezifisch an die RNA bindet. Der untersuchte Assemblierungsfaktor des Spleißosoms, U2 Auxiliary Factor oder kurz U2AF, ist wichtig, damit die richtige Bindestelle erkannt wird“, sagt Lena Voithenberg, die Erstautorin der Arbeit.

Das Protein U2AF besteht aus zwei Untereinheiten, von denen die größere im ungebundenen Zustand sehr dynamisch ist, wie die Wissenschaftler mithilfe von Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie zeigen konnten. Parallel hierzu wurden mittels Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie am Bayerischen NMR-Zentrum in Garching Informationen zur Struktur und Dynamik von U2AF gewonnen.

„Die große Untereinheit wechselt innerhalb von Mikro- bis Millisekunden zwischen einer offenen und einer geschlossenen Struktur“, sagt Voithenberg. An ihre RNA-Zielsequenz bindet sie jedoch nur im geöffneten Zustand. Wie häufig der geöffnete Zustand vorliegt, hängt von der Affinität der RNA-Sequenz ab: Sequenzen mit hoher Affinität werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gebunden und letztendlich geschnitten, als solche mit niedrigerer Affinität.

Räumliche Anordnung reguliert Spleißeffizienz

Aus ihren Ergebnissen schließen die Wissenschaftler, dass die unterschiedlichen räumlichen Anordnungen der großen Untereinheit die Spleißeffizienz regulieren. Dies hat Auswirkungen darauf, in welcher Art die Vorläufer-mRNA zurechtgeschnitten wird und beeinflusst damit auch die Proteinsynthese.

Die korrekte Regulation des alternativen Spleißens spielt für viele zelluläre Prozesse eine zentrale Rolle, und Fehler im Spleißen tragen zu vielen genetischen Erkrankungen und Krebs bei. Das Verständnis der molekularen Grundlagen des Spleißens ist ein Ausgangspunkt dafür, in Zukunft innovative Therapien gegen diese Erkrankungen entwickeln zu können.

Gefördert wurden die Untersuchungen mit Mitteln der DFG über die Exzellenzcluster Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) und Nano Systems Initiative Munich (NIM) sowie den SFB 1035, das Graduiertenkolleg 1721 und das Emmy Noether Programm. Weitere Unterstützung erhielt das Projekt durch das Center for NanoScience und das BioImaging Network der LMU, das Bavarian Molecular Biosystems Research Network des Bayerischen Wissenschaftsministeriums und den Österreichischen Wissenschaftsfonds.

Publikation:

Recognition of the 3' splice site RNA by the U2AF heterodimer involves a dynamic population shift;
Lena Voith von Voithenberg, Carolina Sánchez-Rico, Hyun-Seo Kang, Tobias Madl, Katia Zanier, Anders Barth, Lisa R. Warner, Michael Sattler and Don C. Lamb; PNAS Early Edition, Oct., 31, 2016 – DOI: 10.1073/pnas.1605873113

Kontakt:

Prof. Dr. Michael Sattler
Technische Universität München
Lehrstuhl für Biomolekulare NMR-Spektroskopie
Lichtenbergstr. 4, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 13418 – E-MailWeb

Technische Universität München

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