English Writing Center an der Technischen Universität München:
Vom kritischen Lesen
Vor der Corona-Pandemie saß man in München, Garching oder Weihenstephan konzentriert Tisch an Tisch. Seit dem Sommersemester 2020 werden die Termine ausschließlich via Zoom angeboten.
„Ich vermisse diese Atmosphäre, diesen spontanen Austausch“, sagt Natasha Msibi. „Wir konnten kurz rüber rufen: Hey Keith, wie war nochmal das Synonym für…? Oder: Madeleine, was ist an diesem Satz nicht stimmig? Ich komm‘ nicht drauf… “. Diese sehr bereichernde Zusammenarbeit pflegten sie jetzt via Rocket.Chat, erzählt die Lektorin und Koordinatorin des English Writing Centers (EWC).
Hilfe zur Selbsthilfe
Wer das EWC zum ersten Mal nutzt, kommt häufig mit falschen Erwartungen – trotz entsprechender Hinweise auf der Website. Hier wird nicht Korrektur gelesen – die vier professionellen Sprachlehrenden und acht studentischen Writing Fellows, viele davon zweisprachig, leisten Hilfe zur Selbsthilfe:
Die 45 Minuten des Termins reichen, um zwei bis drei Seiten des englischen Werks gemeinsam nach Schwächen und Fehlern durchzusehen. Wer mit großem Zeitdruck gekommen ist, verfällt dann leicht in Panik.
Aber nur kurz, versichert Msibi: „Wir arbeiten alle sehr lösungsorientiert, sind sehr umsichtig in unserer Wortwahl und nehmen Angst und Frust. Wir begleiten die Studierenden mit Fragen: Was soll der Text leisten? Was ist Ziel und Zweck? Wir lassen uns von ihnen führen.“
Mehr Selbstvertrauen und Autonomie
In einer Dreiviertelstunde lassen sich wichtige Erkenntnisse gewinnen. Bei Autorinnen und Autoren mit deutscher Muttersprache sind in der englischen Textversion lange verschachtelte Sätze zu entwirren und etliche Kommas zu entsorgen. Russische Verfasserinnen und Verfasser kennen keine Artikel in der Muttersprache, Studierende aus asiatischen Ländern sind sehr vertraut mit Grammatik-Fachvokabular.
Wer mit deutschem Schulenglisch kommt, braucht hingegen mehr Beispiele und Erklärungen im Kontext, weiß die Südafrikanerin. Die 34-Jährige lacht herzhaft: „Gamer sind klar im Vorteil, das merke ich auch an meinem Mann. Er ist Deutscher, liebt Videospiele und spricht sehr gut Englisch, ohne länger im Ausland gewesen zu sein.“
Bis zu 12 Termine pro Semester
Nach dem Termin gilt es, die gewonnenen Einsichten selbst anzuwenden. War zunächst das Vertrauen in die eigenen Korrekturfähigkeit gering, ändert sich das auf diese Weise. Die eigenen Notizen und Korrekturen können beim folgenden Termin besprochen werden.
Bis zu drei Termine lassen sich pro Woche buchen, zwölf pro Semester. „Wir lehren den eigenen Text perspektivisch zu lesen, ihn selbst zu editieren und dabei nicht nur Fehler bei Grammatik und Zeichensetzung zu sehen.“ Es gehe um Aussage, Struktur und Klarheit. Dies alles finde sich leichter mit jemandem, der Kenntnis von Prägnanz und Kohärenz habe.
„Langfristig ist unser Ziel“, betont die Lektorin, „dass die Studierenden eigenständig die Perspektive auf ihren Text wechseln und mögliche Schwächen beheben oder zumindest benennen können.“
Bleibende Eindrücke
Nicht nur mit Abschlussarbeiten können die Studierenden kommen: auch mit Hausaufgaben, Essays, Bewerbungsschreiben. Promotionsarbeiten werden meist an das speziell zugeschnittene English Coaching Program verwiesen. Seit dem Wintersemester 2012/2013 berät das Team des EWC. Zu Beginn waren es 390 Termine, zuletzt 2750 pro Semester.
An einige erinnert sich Natasha Msibi bis heute: „Da war diese Medizintechnik-Studentin eines dreiköpfigen Start-ups. Sie hatten eine Armbanduhr für betagte Menschen entwickelt, die plötzliche Positionsveränderungen registriert und diese Stürze dann an Hilfseinrichtungen meldet. Bei jedem Termin habe ich ihr mit offenem Mund zugehört. Ich war so beeindruckt.“
Und da war noch die Architektur-Studentin aus Seoul, frustriert vom Profitstreben ihrer Branche, die unbedingt zusätzlich Finance Management studieren wollte. „Sie wollte Wohnungen nachhaltig und erschwinglich bauen und sie war so ehrgeizig und getrieben von dieser Idee, dass sie mich mit ihrer Begeisterung angesteckt hat.“
Von Kapstadt nach München
Die eigene Leidenschaft für Sprachen und ihre Komplexität hat sich zufällig entwickelt. Die Jobsuche hatte Natasha Msibi auch zu einer Sprachschule in Kapstadt geführt. Den Anfang machten 14 Tage „Reise-Englisch“ mit Teenagern der Insel La Réunion, dann reihte sich Kurs an Kurs. Vor sieben Jahren ist sie nach München gekommen, nach ihrem Bachelor in Psychologie und Linguistik an der Universität von Südafrika.
Parallel zu ihrem Master in Lehr- und Lernforschung lief die Arbeit am EWC und als Dozentin am Sprachenzentrum zunächst freiberuflich. Seit 2019 koordiniert Natasha Msibi zusammen mit Rose Jacobs die Arbeit des EWC – und liebt ihre Arbeit. „Das einzig Schreckliche ist das Benoten. Das mag ich gar nicht. Ich versuche so fair und logisch wie möglich zu sein.“
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Natasha Msibi
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