• 13.4.2021

Starrflügler transportiert Defibrillator

Gemeinsam abheben

59 Studierende aus 21 Nationen bauen gemeinsam eine senkrechtstartende Drohne mit Elektroantrieb, die Menschenleben retten soll. Von den Corona-Beschränkungen lassen sich die Mitglieder der Gruppe Horyzn nicht entmutigen.

Prototyp SILENCIO GAMMA Horyzn
SILENCIO GAMMA – Der größte Senkrechtstarter der Technischen Universität München. (Bild: Horyzn)

„Keiner wollte aufgeben. Als der Lockdown kam, waren wir uns einig, dass es irgendwie weitergehen muss“, erinnert sich Sonja Dluhosch. Seit Januar 2020 ist die angehende Wirtschaftsingenieurin Mitglied der studentischen Gruppe Horyzn der TUM-Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie.

„Ich hatte gerade alle Teammitglieder kennengelernt, als die Corona-Pandemie begann. Keiner wusste, ob es je gelingen würde, die Prototypen der Drohne „Silencio“ fertigzubauen.“ Die Werkstätten an der TUM wurden geschlossen. Die Sponsoren stiegen aus. Teammeetings mit 25 Teilnehmern waren nicht mehr möglich, ebenso wenig wie spontane Besprechungen und Diskussionen beim Nachmittagskaffee oder Feierabend-Bier. Das Projekt stand vor dem Aus.

Größter Starrflügler der TUM-Geschichte

„Um weitermachen zu können, mussten wir erstmal neue Formen der Kommunikation finden. Das war nicht einfach“, berichtet Balazs Nagy, der die Gruppe 2019 gegründet hat.

„Die Hauptmotivation war natürlich das Ziel, den größten flugfähigen unbemannten Starrflügler in der TUM-Geschichte zu bauen. Aber mindestens ebenso wichtig war Teamgeist: Wir sind eine sehr bunte Gruppe. Aktuell arbeiten 59 Studierende – 16 Studentinnen und 43 Studenten – aus 21 Ländern von acht TUM-Fakultäten zusammen. Diese Diversität ermöglicht interkulturelle Erfahrungen und Freundschaften, auf die keiner verzichten will.“  

Keine Credits, keine Prüfungen

Viele Gruppenmitglieder sind wie Balazs Nagy seit der Gründung dabei. Die Teilnahme ist absolut freiwillig, es gibt keine Credit-Points, aber auch keine Prüfungen. Jeder kann sein im Studium erlerntes, theoretische Wissen einbringen und anwenden, oder – wenn es schief geht und die Drohne abstürzt – aus Fehlern lernen.

Die Gruppe überstand die Pandemie – dank zahlloser Zoom- und Teams-Meetings. Virtuell wurden Konzept und Design der neuen Drohne diskutiert, gemeinsame Quizzabende und Bierverkostungen veranstaltet.

Jungfernflug von „Silencio Gamma“

Als im vergangenen Sommer die Werkstätten für maximal fünf Personen geöffnet wurden, organisierte die Gruppe Schichtarbeit, um „Silencio Gamma“ fertigstellen zu können: Eine Drohne mit Flügeln, an deren Oberseite sich vier Rotoren für den Senkrechtstart befinden. Die Rotoren für den Vorwärtsflug sind an den Flügelspitzen angebracht. Im September 2020 absolvierte das unbemannte Elektrofluggerät auf dem Flugfeld des Lehrstuhls für Luftfahrtsysteme in Garching seinen Jungfernflug.  

Sieben Mitglieder des Teams waren dabei – mit Sicherheitsabstand, versteht sich. Mit Beginn des Wintersemesters fand sich an der TUM das neue Horyzn-Team 2020/21 zusammen. Das Ziel in diesem Jahr: Die Entwicklung einer von Elektromotoren angetriebene Drohne, die einen Defibrillator schnell und sicher an einen Einsatzort bringt. Mit dem Projekt „Mission Puls“ wollen die Studierenden Versorgungsengpässe im ländlichen Raum schließen.

Geschwindigkeit von 120 km/h

Dort dauert es derzeit oft zu lange, bis Rettungskräfte einen Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand erreichen. Im April fällt offiziell der Startschuss für das Projekt. „Bei der Konzeption der Drohne nutzen wir unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit, das neue Projekt ist jedoch, was die Komplexität betrifft, eine ganz andere Hausnummer“, betont Balazs Nagy.

Die Anforderungen an die neue Drohne – auch diesmal soll es wieder ein senkrechtstartender Starrflügler werden – sind hoch: Sie soll 120 km/h schnell fliegen können, denn bei der Reanimation mit dem Defibrillator zählt jede Minute. Da bei einem solchen Rettungseinsatz bewohntes Gebiet überflogen wird, braucht HORYZN für die Testflüge eine offizielle Fluggenehmigung.

Um die Sicherheit zu erhöhen, wird außerdem eine Steuerungssoftware eingebaut, die während des Fluges sicherstellt, dass es weder zu einem Absturz, noch zu Kollisionen mit anderen Nutzern des Luftraums kommt. Dazu kommt ein Fallschirmsystem, das im Notfall einen unkontrollierten Absturz verhindert und für eine sanfte Landung sorgt.

Defibrillator für Rettungseinsatz

All diese Lösungen müssen entwickelt und realisiert werden. Ende des Jahres soll „Mission Puls“ startklar sein: Bei einem simulierten Rettungseinsatz wird die Drohne den Defibrillator zum Einsatzort bringen und dort an einer Seilwinde zu einem Ersthelfer hinunterlassen.

Mit Beginn des nächsten Wintersemesters soll Horyzn dann schon in die dritte Runde gehen. Das Ziel der nächsten Mission ist noch offen. „Nur eines ist sicher: Wir wollen weitermachen“, betont Sonja Dluhosch vom Business & Certification Team: „Ich kann mir kein besseres Projekt vorstellen, um in einem internationalen und interdisziplinären Team Verantwortung zu übernehmen und Erfahrungen zu sammeln. Das ist eine ideale Vorbereitung aufs Berufsleben.“

Mehr Informationen:
horyzn.org

 

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