Forschende entwickeln neuartiges Organoidmodell für das Pankreaskarzinom
Modellsystem für das Wachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebs
Bauchspeicheldrüsenkrebs, auch Pankreaskarzinom genannt, macht in Deutschland etwa drei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Damit tritt diese Krebsart zwar relativ selten auf, aber sie ist auch besonders bösartig und damit in den meisten Fällen tödlich. „Der Forschungsbedarf ist wahrscheinlich bei keinem anderen Tumor so groß wie beim Pankreaskarzinom“, erklärt Maximilian Reichert, Professor für Translationale Pankreaskarzinomforschung am Klinikum rechts der Isar der TUM. „Wir haben hier im Gegensatz zu anderen Tumorarten wie etwa Brust- oder Darmkrebs weder sinnvolle Früherkennungsprogramme, noch effektive Behandlungen.“
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um Maximilian Reichert und Andreas Bausch, Professor für Zellbiophysik an der TUM, hat daher ein vom Pankreas abgeleitetes Tumor-Organoid entwickelt. „Ein Organoid ist eine dreidimensionale Zellkultur, die das Ursprungsgewebe nachbildet“, erklärt Reichert. Bei den bisherigen Organoid-Modellen handelt es sich um kugelige Zellaggregate, die zwar molekulare Eigenschaften des Gewebes widerspiegeln, meist aber nicht die Gewebearchitektur, die am Ende entscheidend für die Funktion sein kann. „Es ist uns nun zum ersten Mal gelungen, auch die Morphologie des Tumors, bestehend aus komplexen gangähnlichen Strukturen, die so charakteristisch sind für Bauchspeicheldrüsenkrebs, nachzubilden“, sagt Reichert.
Kollagen ermöglicht die Ausbildung komplexer Strukturen
Damit Zellen außerhalb des Körpers in dieser verzweigten Struktur wachsen können, benötigen sie nicht nur Nährstoffe in denen sie lebensfähig sind, sondern auch eine sogenannte Matrix, in der sie eingebettet sind und die es ihnen ermöglicht durch Zellteilung und Zellmigration eine Struktur zu bilden. Die Forschenden der TUM verwendeten eine Matrix, die vor allem aus Kollagen besteht. „Wir haben damit die mechanischen Bedingungen der Matrix, in denen die Zellen wachsen, so geändert, dass die Ausbildung komplexer Strukturen möglich ist“, erklärt Bausch. „Es sind nicht nur die biochemischen Bedingungen, sondern auch die mechanischen, die das Wachstum entscheidend beeinflussen.“
Für die Strukturbildung des Organoids ist dabei die sogenannte mechanische Plastizität des Kollagens besonders wichtig. Die Kraft, die durch das Wachstum der Zellen auf das Material wirkt, erzeugt eine permanente Deformation – im Gegensatz zu einer rein elastischen Verformung, die nicht von Dauer wäre.
Grundlage für Therapieentwicklung
„Dieses Organoid-System erlaubt es uns einzelne Wachstumsphasen des Pankreastumors zu verfolgen, wie etwa die Zellteilungen und -bewegungen sowie die Genexpressionsmuster“, sagt Bausch. „Das war einfach bisher gar nicht möglich, weil ein zugängliches System fehlte.“
In einem nächsten Schritt wird bereits an einem Tumor-Organoid gearbeitet, das aus menschlichen Pankreaskrebszellen wächst. „Darauf basierend können in der Zukunft neue Therapien identifiziert und getestet werden, die spezifisch für die unterschiedlichen Phasen der Tumorprogression sind“, sagt Reichert. Ziel ist es Therapien zu identifizieren, die spezifisch bestimmte Subtypen des Bauchspeicheldrüsenkrebses bekämpfen und damit effektiver werden.
- Randriamanantsoa, S., Papargyriou, A., Maurer, H.C. et al.: Spatiotemporal dynamics of self-organized branching in pancreas-derived organoids. Nat Commun 13, 5219 (2022).
doi.org/10.1038/s41467-022-32806-y
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- Die Organoidforschung ist ein Schwerpunkt an der TUM. Mit dem Bau des Center for Organoid Systems and Tissue Engineering (COS) am Forschungszentrum Garching soll ein in Europa einzigartiges Zentrum entstehen, bei dem die einmaligen Bedingungen der TUM als technische Hochschule mit eigenem Universitätsklinikum genutzt werden, um diese hochmoderne Technologie in die medizinisch-klinische Anwendung zu bringen.
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