TUM Talk am Campus Heilbronn
„Kleinere Unternehmen sind häufig offener“
Immer mehr Daten, immer mehr Digitalisierung. Und doch müssen schlussendlich auch die analogen Dinge passen, damit Fortschritt entsteht. „Am Ende passiert Innovation zwischen Menschen“, sagte Prof. Thomas F. Hofmann, Präsident der Technischen Universität München (TUM) zum Auftakt des TUM Talks. Auch deshalb stand das Diskussionsformat in diesem Jahr unter dem Titel „Innovationsbrücken für ein starkes Morgen“. Denn der Leitsatz gilt insbesondere für den Innovationstransfer zwischen den Menschen in Wissenschaft und Wirtschaft.
Zum sechsten Mal hatte die Universität am Campus Heilbronn zum TUM Talk geladen. Und erneut folgten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft der Einladung. Viele stammten aus der Region Heilbronn-Franken, „gesegnet mit einer Vielzahl an großartigen Unternehmen“, wie Prof. Ali Sunyaev, Vizepräsident für den TUM Campus Heilbronn, betonte.
Die Gäste erlebten, wie Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen und Wissenschaft für einen Wandel in Köpfen und bei Strukturen warben. Denn um belastbare Innovationsbrücken zu etablieren, sei ein Umdenken auf mehreren Ebenen nötig. Etwa in den Unternehmen selbst: „Mir ist es wichtig, dass wir nicht in Silos denken, sondern alle voneinander lernen“, sagte beispielsweise Christine Grotz, geschäftsführende Gesellschafterin der Weber-Hydraulik. Das traditionsreiche Familienunternehmen arbeitet gerade daran, solche neue Strukturen zu schaffen. In einem Joint Venture arbeiten Ingenieurinnen und Ingenieure jetzt auch an Apps für den Bereich Rettungstechnik. Und im Stammgeschäft Hydraulik reden neuerdings Cybersecurity-Expertinnen und -Experten mit.
Familienunternehmen treffen auf Start-ups
Je tiefer traditionelle Arbeitswege und -weisen verankert sind, umso schwerer kann ein solches Umdenken sein. Dabei hat gerade der inhabergeführte Mittelstand grundsätzlich gute Startbedingungen, um sich hier zu bewegen: „Kleinere Unternehmen sind häufig offener dafür, neue Wege auszuprobieren“, sagte Dagmar Schuller. Sie hat als Gründerin des KI-Start-ups Audeering und als Professorin an der Hochschule Landshut erlebt, worauf es ankommt, um offen für Innovationen zu bleiben: Man müsse nicht nur die fachlichen Kompetenzen mitbringen, sondern auch das entsprechende Mindset.
Herausforderungen gibt es auf diesem Weg genug. Start-ups als Innovationsträger tun sich etwa in Deutschland immer noch schwerer zu wachsen als beispielsweise in den USA. Staat und Kapitalbranche arbeiten daran, mehr Möglichkeiten zu etablieren – wie sich beispielsweise bei den Investitionen in Heilbronn rund um das Thema Künstliche Intelligenz gerade zeigt. „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, dass diese Leute freiwillig bleiben“, sagte Mirko Holzer, Deputy Director bei der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND).
Manchmal reichen dafür aber einfache Möglichkeiten, die auch der Mittelstand nutzen kann. Holzer ermutigte beim TUM Talk die anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer, beispielsweise den eigenen Einkaufsabteilungen größere Freiheiten zu ermöglichen – warum nicht mal mutig von einem jungen Unternehmen zukaufen, dass gerade erst eine Innovation auf den Markt gebracht hat?
Studierende lernen den Mittelstand kennen
In der Diskussion zeigte sich zudem deutlich: Hochschulen wie die TUM sind auf dem Weg hin zu belastbaren Innovationsbrücken ein entscheidendes Puzzlestück. Zum einen können sie Unternehmen helfen, mit Grundlagen- und Anwendungsforschung Innovationslücken bei Zukunftsthemen wie Künstlicher Intelligenz oder Robotik zu schließen. Dafür brauche es ein Bein, das fest in der jeweiligen wissenschaftlichen Fachcommunity verankert sei, sagte Prof. Hans-Joachim Bungartz, Dekan der TUM-School of Computation, Information und Technology. Man benötige aber auch „ein Mindset, das in Richtung unternehmerisches Denken geht.“
Zum anderen bilden die Hochschulen die Fach- und Führungskräfte von morgen aus. „Es ist uns wichtig, dass Studierende unser Unternehmen kennenlernen – und es ist auch wichtig, dass sie unsere Probleme kennenlernen“, sagte Weber-Hydraulik-Chefin Grotz.
Um bei aller wissenschaftlichen Exzellenz das Gespür für die wirtschaftliche Wirklichkeit nicht zu verlieren, baut die TUM ihr Studienangebot mit konkretem Praxisbezug aus. In der Projektwoche „1000+“ stürzen sich etwa kleine interdisziplinäre Studierendenteams eine Woche lang auf konkrete Herausforderungen, die insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen plagen. „So ein Praxisbezug wirkt unglaublich motivierend auf Studierende“, betonte Bungartz, „weil sie direkt sehen, was ihre Arbeit bewirkt.“
Auch dank dieser konkreten Beispiele setzte das Diskussionsformat TUM Talk erneut wichtige Impulse, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Anschluss an die Podiumsdiskussion in vielen angeregten Unterhaltungen auf dem Campus vertieften. Den Ton für viele Gespräche hatte TUM-Präsident Hofmann bereits in seiner Begrüßung gesetzt: Angesichts der multiplen Herausforderungen, vor denen das Land und die Wirtschaft aktuell stehen, könne man entweder leicht verzagen – oder positiv nach vorne schauen: „Und ich bin für zweiteres“.