Unterwegs mit einem OP-Team in Ghana
Eine Reise für die Frauengesundheit
Es ist frühmorgens in Kumasi, der größten Stadt Ghanas, und so nahe am Äquator schon jetzt ziemlich schwül. Wir quetschen uns zusammen auf den Rücksitz eines Vans, um zum Krankenhaus zu gelangen. Auf dem Weg, der über roten Sandboden führt, herrscht reges Treiben: Hühner laufen frei auf der Straße, Kinder spielen und rennen umher und viele Frauen sind mit schwerem Gepäck unterwegs.
Die Frauen in Ghana tragen aber auch noch ganz andere Lasten: So ist etwa die gynäkologische Versorgung an vielen Stellen ausbaufähig. Zum Beispiel fehlt es an Möglichkeiten, gynäkologische Operationen minimalinvasiv durchzuführen. Beinahe alle gynäkologischen Eingriffe erfolgen hier durch große Bauchschnitte, was deutlich mehr Komplikationen wie Infektionen oder Verwachsungen mit sich bringt.
Kamerablick statt großem Schnitt
Mit unserem Projekt wollen wir dazu beitragen, dies zu ändern. Dank großzügiger Unterstützung sind bereits zwei hochmoderne Operationstürme nach Ghana transportiert worden. Diese ermöglichen nun sogenannte laparoskopische Eingriffe, also minimalinvasive Bauchspiegelungen. Mit dieser „Schlüssellochtechnik“ können sowohl Routine- als auch Notfalleingriffe durch wenige Zentimeter große Schnitte am Bauch durchgeführt werden. Wir nutzen dazu eine Kamera, die ein Bild vom Bauchraum der Patientin auf einen Bildschirm überträgt. Unser Ziel ist es, die Ärzt:innen vor Ort so auszubilden, dass diese zukünftig selbst solche Eingriffe routiniert durchführen können.
Unser sechsköpfiges Team um Prof. Marion Kiechle besteht aus erfahrenen Ärzt:innen und einer OP-Schwester. Monatelang hatten die Vorbereitungen für die Reise gedauert. Dann mussten wir kurzfristig unsere Flüge stornieren, weil die Instrumente im Zoll feststeckten. Nun soll es aber doch soweit sein und wir sind unterwegs zu unserem Einsatzort, gespannt, was der heutige Tag bringen wird.
Ankunft im Krankenhaus
Unser Fahrer hält direkt vor der Notaufnahme des Komfo Anokye Teaching Hospital (KATH). Hier ist einiges los, viele Menschen kommen aus umliegenden Ländern wie Togo oder Burkina Faso, um sich am KATH behandeln zu lassen. Gerade ist Regenzeit in Ghana. Die feuchtheiße Luft steht auch in den Krankenhausgängen. Der Weg zu unserer Station führt durch die Notaufnahme, wo Trauben von Patient:innen auf eine Behandlung warten. Viele müssen stehen, da die Betten mit den besonders Schwachen belegt sind. Es fällt schwer, hier untätig zu bleiben, aber unser Platz ist diese Woche im OP. Wir versuchen daher, zügig durch das Gedrängel zu kommen.
Am Abend zuvor waren wir schon einmal im KATH. Bis spät abends haben wir eine Patientin nach der anderen untersucht und diejenigen ausgewählt, für deren Krankheitsbild die Laparoskopie am besten geeignet ist – und die wir in der kommenden Woche operieren werden. Manche der Frauen nehmen einiges auf sich, um von der neuen OP-Methode profitieren zu können – etwa eine fünfstündige Busreise aus der Hauptstadt Accra ganz im Süden Ghanas bis zur Klinik in Kumasi.
Wenn die Mühlen anders mahlen
Der erste OP-Tag verläuft schleppend. Die Installation der modernen OP-Technik sorgt für Schwierigkeiten. Dann wird versehentlich auch noch ein essenzieller Gasschlauch mit zu hohen Temperaturen behandelt und schmilzt. Wir wollen anpacken, um die Abläufe zu beschleunigen, müssen aber einsehen, dass in Ghana vieles anders läuft und manche Dinge unvorhersehbar sind. Werden wir hier überhaupt noch operieren können?
Während wir versuchen, die OP-Technik zum Laufen zu bringen, findet die große offizielle Eröffnungsfeier mit den Oberhäuptern der lokalen Gemeinden statt. Unser Projekt erhält viel mediale Aufmerksamkeit. Wir freuen uns sehr über das Interesse, sind aber auch besorgt, ob wir unsere Aufgabe überhaupt erfüllen können. Schlussendlich gelingt es durch die Mithilfe aller aber doch noch, einen Ersatzschlauch zu besorgen und die Installation fertigzustellen. Wir schöpfen also Hoffnung. Und siehe da: Am Nachmittag können wir mit der ersten Operation beginnen.
„Jetzt bitte Licht aus!“
Die OP führen Prof. Marion Kiechle von der TUM und Dr. Kwasi Ampem-Darkwa vom KATH gemeinsam durch. Die beiden kennen sich schon aus dem vergangenen Jahr, als das Team aus Ghana bei uns in München am Klinikum rechts der Isar zu Besuch war. Jetzt operieren sie eine junge Frau, die seit langem unter Schmerzen im Unterbauch leidet. Dabei ist der OP-Raum gefüllt mit ghanaischen Kolleg:innen aus unterschiedlichen Fachabteilungen, die bei der ersten Laparoskopie am KATH dabei sein wollen.
Prof. Kiechle zeigt den minimalinvasiven Zugangsweg in die Bauchhöhle. Dann setzt Dr. Ampem-Darkwa den Trokar – eine Metallhülse, durch die der Bauch mit CO2 aufgeblasen wird. Prof. Kiechle sagt: „Jetzt bitte Licht aus!“ – ein Satz der in diesem OP-Saal bisher noch nie gefallen ist. Alle Augen sind gespannt auf die Kamera gerichtet, die durch den Trokar in den Bauch geführt wird und diesen hell erleuchtet. Auf dem Monitor sieht man nun hochaufgelöst die Bauchorgane. Zwei weitere Trokare werden platziert, um mit kleinen Instrumenten vorsichtig den Darm zur Seite zu schieben. Bei der Patientin war es nach einer abgelaufenen Infektion zu Verwachsungen gekommen, die ihr Schmerzen bereiteten. Prof. Kiechle und Dr. Ampem-Darkwa lösen die Verwachsungen und beenden den Eingriff nach kurzer Zeit komplikationslos.
Die Abläufe im OP verbessern sich im Lauf der Woche jeden Tag. Wir steigern uns von einer, über drei, auf sieben OPs am Tag und operieren insgesamt 18 Patientinnen. Wir können parallel in zwei OP-Sälen Ärzt:innen und OP-Schwestern mit je einem Laparoskopieturm ausbilden. Dabei behandeln wir Frauen mit Bauchschmerzen, Ovarialzysten und Uterusmyomen. Das Projekt hat inzwischen große Aufmerksamkeit erlangt und täglich sammeln sich dutzende Klinik-Mitarbeiter:innen vor dem OP, um zuzuschauen.
Ein erster Notfall
Plötzlich hören wir, dass sich eine junge Frau mit starken Unterbauchschmerzen in der Notaufnahme vorgestellt hat. Der Schwangerschaftstest ist positiv. Im Ultraschall zeigt sich der Verdacht auf eine sogenannte Extrauteringravidität bei der sich der Embryo außerhalb der Gebärmutter einnistet. Eine solche Eileiterschwangerschaft ist ein häufiger gynäkologischer Notfall der meist nur durch eine Operation zu behandeln ist.
Bisher hätte die Patientin im KATH einen großen Bauchschnitt mit deutlich höherem Blutungsrisiko erhalten. Das ghanaische Team ist aber inzwischen so gut ausgebildet und geübt, dass der Eingriff auch laparoskopisch erfolgen kann. Die Patientin ist einverstanden und kurze Zeit später in Narkose. Einen Tag später kann sie schon wieder entlassen werden. Dieser Eingriff stellt einen Meilenstein für gynäkologische Operationen am KATH dar – zusammen mit unseren ghanaischen Kolleg:innen haben wir unser Ziel erreicht!
Allen Patientinnen, die wir in dieser Woche operiert haben, geht es nach ihrem Eingriff sehr gut. Wir erfahren, dass sie ausnahmslos froh sind, sich für die neue OP-Methode entschieden zu haben. Ein Grund mehr, uns auch künftig weiter mit unseren Kolleg:innen aus Kumasi auszutauschen. Und so haben wir auch schon den nächsten Besuch des afrikanischen Teams in München geplant, um weiter zur Verbesserung der Frauengesundheit in Ghana beizutragen.
- Das Klinikum rechts der Isar (MRI) der TUM und das Komfo Anokye Teaching Hospital (KATH) in Kumasi arbeiten seit 2017 zur Verbesserung der Ausbildung lokaler Fachkräfte über Fördermittel des BMZ und der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung zusammen. Beide Unikliniken setzen auf eine breitgefächerte Kooperation, um möglichst nachhaltige Fortschritte sowohl in der Forschung als auch in der Versorgung von Patient:innen zu erzielen.
- Die Kooperation ist Teil der strategischen Allianz zwischen der TUM und der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) in Kumasi, Ghana, die seit 2018 besteht. Dabei setzen TUM und KNUST gemeinsam auf die Förderung von Projekten, die in den Schlüsselbereichen Lehre, Forschung und Entrepreneurship anzusiedeln sind, um Innovationen und nachhaltige Entwicklung voranzubringen.
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Unterstützt wurde das Projekt unter anderem von der Olympus Europa Stiftung, von der Non-Profit- Organisation Gesundes Afrika e. V. der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Endoskopie.
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