• 25.10.2018

Borexino-Experiment: Analyse der Neutrino-Signale aus zehn Jahren

Gesamtblick auf die Fusionsprozesse der Sonne

Forscherinnen und Forscher der Borexino-Kollaboration haben die bisher umfassendste Analyse von Neutrinos aus den Kernprozessen der Sonne veröffentlicht. Die Ergebnisse bestätigen bisherige Annahmen über die Prozesse im Inneren der Sonne.

Neutrinos können Aufschluss über die inneren Vorgänge der Sonne geben.
Neutrinos können Aufschluss über die inneren Vorgänge der Sonne geben. (Bild: NASA/SDO)

Etwa 99 Prozent der Sonnenenergie entstammen dem Standard-Sonnenmodell zufolge einer Abfolge von Fusionsprozessen, bei der Wasserstoff zu Helium umgewandelt wird. Sie startet mit der Verschmelzung zweier Protonen zu einem schweren Wasserstoffkern, daher auch pp-Kette genannt. Bei einigen dieser Prozesse werden auch Neutrinos charakteristischer Energien freigesetzt, so dass sich der Verlauf der pp-Kette genau rekonstruieren lässt.

Erste Gesamtaufnahme des Neutrino-Spektrums der Sonne

Das Experiment Borexino, tief unter den Bergen des italienischen Gran Sasso-Massivs, ist seit 2007 in Betrieb und darauf spezialisiert, diese solaren Neutrinos zu detektieren.

Nun legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals eine Gesamtuntersuchung der Fusionsvorgänge der pp-Kette mittels Neutrinos vor. Sie bestimmten dabei die Wechselwirkungsraten der einzelnen Prozesse mit bisher nicht erreichter Präzision.

Die Ergebnisse bestätigen das Sonnenmodell

„Die Ergebnisse bestätigen insgesamt unsere theoretischen Vorstellungen von den Vorgängen im Inneren der Sonne“, sagt Prof. Stefan Schönert, Professor für Astroteilchenphysik und Co-Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1258 an der Technischen Universität München (TUM) und Mitglied des neuen ORIGINS Clusters.

Das Borexino-Team berechnete auch die Energieproduktionsrate der Sonne und verglich diese mit der Abschätzung auf Basis ihrer elektromagnetischen Strahlung. Beide Werte stimmen sehr gut überein. Dies zeigt, dass die Sonnentätigkeit seit mindestens hunderttausend Jahren unverändert ist, denn das Sonnenlicht braucht etwa diese Zeitspanne, um die Energieproduktionszone im Sonneninneren zu verlassen, während Neutrinos bereits nach acht Minuten die Erde erreichen.

Wie ist die chemische Zusammensetzung der Sonne?

Die Borexino-Ergebnisse geben auch einen interessanten Hinweis auf ein bisher nicht gelöstes Sonnenrätsel: Wie hoch ist Konzentration an Kernen schwerer als Wasserstoff und Helium, die so genannte Metallizität? Je höher, desto mehr Licht wird absorbiert. Das hat Einfluss auf Temperatur, Größe, Helligkeit und Lebensdauer der Sonne.

Die Sonne gilt bisher als ein Stern mit niedriger Metallizität. „Unsere Ergebnisse deuten nun auf ein Temperaturprofil hin, welches eher auf eine hohe Konzentration hinweist“, fasst Prof. Lothar Oberauer von der TUM und einer der Gründungsmitglieder des Borexino-Experiments zusammen.

Publikation:

Comprehensive measurement of pp-chain solar neutrinos
M. Agostini, K. Altenmüller, S. Appel et. al.
Nature volume 562, pages 505–510 (2018),
DOI: 10.1038/s41586-018-0624-y

Weitere Informationen:

  • Das Experiment Borexino wird von einem internationalen Konsortium betrieben und finanziert. In Deutschland sind neben der Technischen Universität München das Institut für Kernphysik des Forschungszentrums Jülich, das Institut für Experimentalphysik der Universität Hamburg, die RWTH Aachen, der Exzellenzcluster PRISMA und das Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie die Physik-Fakultät der Technischen Universität Dresden beteiligt.
  • Das Borexino-Programm wird finanziert mit Mitteln des INFN (Italien), des NSF (USA), des Bundesministeriums für Forschung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und der Max-Planck-Gesellschaft (Deutschland), der RFBR, der RSF (Russland) und des NCN (Polen).

Kontakt:

Technische Universität München
Lehrstuhl für experimentelle Physik und Astroteilchenphysik

Prof. Dr. Stefan Schönert
E-Mail: schoenert@ph.tum.de
Tel.: +49 89 289-12511/12522

Prof. Dr. Lothar Oberauer
E-Mail: oberauer@ph.tum.de
Tel.: +49 89 289-12509/12522

Technische Universität München

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