Wissenschaftler erforschen Rekordgetriebe für emissionsarmes Flugzeugtriebwerk
Die Zukunft des Fliegens auf dem Prüfstand
Die Flugzeugantriebe der Zukunft sollen weniger Sprit verbrauchen und noch emissionsärmer werden. Mit dem UltraFan-Konzept hat sich Rolls-Royce ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. „Das UltraFan-Triebwerk ist hinsichtlich des Spritverbrauchs um 25 Prozent effizienter im Vergleich zu den ersten Trent-Triebwerken von Rolls-Royce, aber auch leichter und leiser“, erklärt Christian Seydel von Rolls-Royce. Er leitet das Power Gearbox Projekt, das sich mit der Entwicklung des Leistungsgetriebes für den UltraFan beschäftigt.
Dieses Zahnradgetriebe hat eine zentrale Funktion. Vereinfacht erklärt wird weniger Sprit verbraucht, wenn sich der Fan, der von außen sichtbare Teil des Triebwerks, möglichst langsam dreht, die Turbine im Inneren dagegen möglichst schnell. „Ein Getriebe kann die Leistung von der schnell laufenden Turbine effizient auf den langsam laufenden Fan übertragen“, sagt Seydel. Das Getriebe des UltraFan wird dafür ausgelegt bis zu 100.000 PS, vergleichbar mit der Leistung von 500 Mittelklassewagen, zu übertragen. Damit ist es das leistungsstärkste Getriebe, das je für die zivile Luftfahrt gebaut wurde.
Besondere Herausforderungen für große Getriebe
Karsten Stahl, Professor für Maschinenelemente an der TUM, und sein Team haben langjährige Erfahrung mit der Erforschung und Optimierung der besonderen Eigenschaften von Zahnradgetrieben. Daher entschied sich Rolls-Royce, die TUM als Partner für das vom Bund geförderte Projekt zu gewinnen. Denn es gibt dabei viele Herausforderungen.
„Das Getriebe in Originalgröße hat einen Durchmesser von einem Meter. Wenn Sie Getriebe so groß und so kompakt bauen, wie es für den UltraFan erforderlich ist, dann ergeben sich spezielle Herausforderungen, zum Beispiel bei der Kühlung“, erklärt Stahl. Im Getriebe entstehen Wärmeleistungen von mehreren Hundert Kilowatt, das entspricht der Heizung eines Hochhauses.
Mehrere Megawatt Leistung im Kreislauf
Die entsprechenden Wirkzusammenhänge für die besonderen Eigenschaften des Getriebes untersuchen die Forscher mit speziellen Berechnungsmethoden und Simulationsmodellen. Verifiziert werden die berechneten Ergebnisse anschließend mithilfe eines Prüfstands, dessen Konzeption und Entwicklung für die Wissenschaftler ein eigenes Forschungsprojekt darstellte. Zunächst standen sie vor der Herausforderung, das Getriebe, dessen Tests im Maßstab 1:1 bei dem Hersteller eine eigenes Gebäude füllt, so zu verkleinern, dass es in den Prüfräumen der TUM untersucht werden kann – ohne die zu untersuchenden Eigenschaften zu verlieren.
Die nächste Herausforderung war die Energiezufuhr. Trotz der Verkleinerung müssen immer noch mehrere Megawatt auf das Getriebe übertragen werden. Bei konventioneller Prüftechnik wären dafür riesige elektrische Motoren erforderlich. Um die installierten Leistungen und damit den Bauraum sowie die Kosten zu reduzieren, realisierten die Wissenschaftler den Prüfstand mit dem sogenannten back-to-back- bzw. Verspannungsprinzip. Dabei werden zwei baugleiche Getriebe spiegelverkehrt miteinander verbunden, so dass die Energie des Abtriebes eines Getriebes auf den Antrieb des anderen geleitet wird. „Mit relativ geringen Antriebsleistungen von etwa 200 Kilowatt können wir so mehrere Megawatt Leistungen in dem Kreislauf bewegen“, erklärt Uwe Weinberger, Projektleiter am Lehrstuhl.
Mit Big Data zu besseren Getrieben
Sensoren zeichnen fortlaufend Daten über die Performance des Testgetriebes auf, unter anderem Beschleunigung, Drehzahlen, Drehmoment, Öltemperaturen am Ein- und Auslass, Temperaturen an den Lagerungen und Dichtungen sowie den Öldruck. „Die etwa 100 Messkanäle liefern so viele Daten, dass wir in den Bereich von Big Data kommen“, sagt Weinberger. „Um die Daten auszuwerten und miteinander in Korrelation zu bringen, müssen wir zunächst automatische Auswerte- und Reduktionsmethoden entwickeln, um anschließend die Ergebnisse miteinander vergleichen und Schlüsse daraus ziehen zu können.“ In den nächsten Monaten werden Getriebe mit systematisch variierten Eigenschaften untersucht. Die Ergebnisse werden die Forscher dann als Grundlage verwenden, um konkrete Vorschläge zur Optimierung des Getriebes in Originalgröße machen zu können.
Die optimierten Getriebe werden im 1:1 Maßstab auf dem Prüfstand von Rolls-Royce in Dahlewitz bei Berlin geprüft. „Später folgen dann natürlich auch Tests im Triebwerk, zunächst am Boden, später im ‚Flying Testbed‘ eines umgerüsteten Flugzeuges“, erklärt Christian Seydel. 2025 soll das UltraFan-Triebwerk im regulären Betrieb einsatzbereit sein. Die TUM-Wissenschaftler werden die Entwicklung bis dahin mit ihrer Forschung weiter unterstützen.
Mehr Informationen:
Das Projekt wird im Rahmen des ‚LuFo' – dem Luftfahrtforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) – gefördert.
Kontakt:
Technische Universität München
Lehrstuhl für Maschinenelemente
Prof. Karsten Stahl
Tel: +49 (89) 289 - 15805
stahl@fzg.mw.tum.de
Uwe Weinberger
weinberger@fzg.mw.tum.de
+49 (89) 289 – 15774
Kontakt Rolls-Royce:
Frank Martin Hein
Head of Communications – Europe & Africa
Rolls-Royce plc / Rolls-Royce Deutschland Ltd & Co KG
Tel: +49 (0) 33708 6 2338
Mail: Frank-Martin.Hein @Rolls-Royce.com
Bilder zur Redaktionellen verwendung:
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https://www.flickr.com/photos/rolls-royceplc/sets/72157644584413758/with/14315006516/
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