Schwachstelle im Gehirn: Einzelne geschädigte Neuronentypen lösen Alzheimer oder Parkinson aus
Ein Neuron kann einen Dominoeffekt auslösen
Einzelne Nervenzellen (Neuronen) oder Neuronenklassen im Gehirn altern scheinbar schneller als andere. So zählt etwa der Verlust des Geruchssinnes zu den ersten klinischen Zeichen für den Alterungsprozess. Damit einhergehen kann eine neurodegenerative Erkrankung.
„Alter ist der große Risikofaktor, warum Menschen an Alzheimer oder Parkinson erkranken“, sagt Prof. Ilona Grunwald Kadow von der Professur für Neuronale Kontrolle des Metabolismus an der Technischen Universität München (TUM) – „nur ein kleiner Anteil erkrankt daran aufgrund bekannter genetischer Gründe.“ Die Frage sei jedoch, warum altern manche Neuronen schneller als andere? Wieso sind manche empfindlicher? Sind geschädigte Neuronen der Grund, warum Nervennetzwerke nicht mehr richtig funktionieren?
Ein Licht ins Dunkel wirft eine Studie durchgeführt unter Leitung von Prof. Grunwald Kadow (TUM) in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen von Prof. Julien Gagneur (TUM), Prof. Stephan Sigrist (Freie Univ. Berlin) und Prof. Nicolas Gompel (LMU), bei der anhand von Nervenzellen am genetischen Modellorganismus der Fruchtfliege belegt wird, wie das Geruchsvermögen der Tiere altert. Und wie sehr das dem Alterungsprozess im menschlichen olfaktorischen System ähnelt – so verliert etwa auch die Fruchtfliege mit zunehmendem Alter ihre Riechkraft.
Welche Neuronen sind betroffen?
Im nächsten Schritt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüft, ob alle oder nur spezielle Neuronen betroffen sind. Erste Hinweise darauf, welche Neuronen empfindlicher sind als andere, kann das Team in seiner Studie liefern. Es stellte außerdem fest, dass oxidativer Stress einzelne Nervenzellgruppen verändert, wodurch nach und nach das gesamte neuronale Netzwerk zusammenbricht. Denn oxidativer Stress sorgt im Körper für zu viele reaktive Sauerstoffverbindungen, die vorübergehende oder bleibende Schäden und ein beschleunigtes Altern auslösen können.
Wenn die Bildung dieser reaktiven Sauerstoffverbindungen in nur diesem Neuronentyp verhindert wird, hält es den Verlust des Geruchssinns komplett auf: Alte Fliegen riechen wieder wie ihre jungen Artgenossen. Dies deutet darauf hin, dass altersbedingte Degenerationen signifikant verzögert werden könnten, indem oxidative Schäden in nur einem oder wenigen Neuronentypen unterbunden werden.
was kann oxidativen Stress in seiner Wirkung verringern?
Ein Versuch mit einem Antioxidans in Form einer mehrwöchigen Resveratrol-Gabe bei jüngeren Fliegen zeigte, dass es oxidativem Stress entgegenzuwirken scheint. So könnte der Schutz der besonders empfindlichen Neurone zumindest teilweise dazu beitragen, die Funktion eines mit ihnen verbundenen Nervennetzwerks bei älteren Menschen aufrechtzuerhalten. Das könnte das Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen verlangsamen.
Ein weiterer möglicher Faktor: das Darmmikrobiom. Es könnte ins Fortschreiten der Parkinson-Krankheit verwickelt sein. Das Team hat daher ebenfalls die Mikrobiota-Wirkung auf die olfaktorische Alterung getestet mit dem Ergebnis, dass bestimmte Mikrobiota einen positiven Effekt haben. Sie können die mit dem Altern verbundene olfaktorische Neurodegeneration verlangsamen.
Diese Erkenntnisse und weitere laufende Versuche am Fruchtfliegenmodell können laut Prof. Grunwald Kadow den Weg ebnen zu gezielteren, neuen Behandlungs- und Therapiewegen, bei denen unter anderem Medikamenten- und Mikrobiota-Gaben miteinander kombiniert würden.
Fotos für die redaktionelle Berichterstattung
Publikation:
Ashiq Hussain, Atefeh Pooryasin, Mo Zhang, Laura F. Loschek, Marco La Fortezza, Anja B. Friedrich, Catherine-Marie Blais, Habibe K. Üçpunar, Vicente A. Yépez, Martin Lehmann, Nicolas Gompel, Julien Gagneur, Stephan J. Sigrist and Ilona C. Grunwald Kadow: Inhibition of oxidative stress in cholinergic projection neurons fully rescues aging-associated olfactory circuit degeneration in Drosophila, eLife 1/2018. doi: 10.7554/eLife.32018 elifesciences.org/articles/32018
Kontakt:
Prof. Dr. Ilona Grunwald Kadow
Technische Universität München
Professur für Neuronale Kontrolle des Metabolismus
Tel: +49/8161/71 2440
E-Mail: ilona.grunwald @tum.de
Technische Universität München
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