Ehemalige Stipendiaten finanzieren Stipendien
Deutschlandstipendium – Next Generation
Nachdem Ines Voggenreiter, Masterstudentin im Bauingenieurwesen, vor einem Jahr ausgelassen über die Zusage für ihr Deutschlandstipendium gejubelt hatte, suchte sie online nach „Christian Schmied“. Dieser Name war als Finanzier ihres Stipendiums auf dem Bescheid angegeben. Sie stieß auf einen Doktoranden am Lehrstuhl für Produktentwicklung der TUM. „Der kann’s nicht sein“, dachte Voggenreiter. Schließlich hat man mit einem Doktorandengehalt am Monatsende nicht gerade riesige Summen übrig. Umso größer war ihre Überraschung, als sie dann beim ersten Treffen feststellte: Der ist es doch!
300 Euro bekommen die Stipendiatinnen und Stipendiaten jeden Monat. Die Hälfte bezahlt der Bund, der das Deutschlandstipendien-Programm aufgelegt hat. Die andere Hälfte werben die Hochschulen selbst ein. Rund 100 Förderer für circa 500 Stipendien hat die TUM für das neue Studienjahr überzeugen können und ist damit eine der erfolgreichsten Universitäten. Unter ihnen sind Unternehmen und Stiftungen, aber eben auch zahlreiche Privatpersonen wie Christian Schmied und Stephan Wolf. Beide gehen jetzt mit der Förderung „ihrer“ Stipendiatinnen ins zweite Jahr. Und inzwischen hat sich herausgestellt: Sie sind die ersten ehemaligen Deutschlandstipendiaten, die nach ihrem Studium selbst ein Stipendium finanzieren.
Mit dem ersten Gehalt ein Stipendium gestiftet
„Als ich das erste Gehalt auf dem Konto hatte, dachte ich: Jetzt ist es soweit“, erinnert sich Schmied. Auch Wolf hat sich schon wenige Monate nach seinem Berufseinstieg als Entwickler bei einem großen IT-Unternehmen entschieden, ein Stipendium zu stiften. Diesen Zeitpunkt findet Schmied gar nicht besonders außergewöhnlich, sondern recht naheliegend: „Dann hat man als ehemaliger Stipendiat noch gut in Erinnerung, wie das Deutschlandstipendium geholfen hat.“
Schmied wurde gefördert, als er finanziell „mit dem Rücken zur Wand stand“. Nach einem schweren Verkehrsunfall musste er sein Studium lange unterbrechen. Anschließend konnte er zunächst wenig jobben und stieß an viele bürokratische Hürden bei Behörden. „Wer wirklich geholfen hat, war die TUM.“
Lebensleistung wird bei der Auswahl berücksichtigt
Bei der Auswahl der Stipendiatinnen und Stipendiaten berücksichtigt die TUM neben den Leistungen in Studium oder Schule auch die Lebensleistung, also beispielsweise gesellschaftliches Engagement und besondere persönliche Umstände wie Kindererziehung, Migrationshintergrund oder ein nichtakademisches Familienumfeld. So wurden in diesem Jahr auch diejenigen Erstsemester ausgewählt, die zuvor das Gasthörerprogramm der TUM für Geflüchtete besucht haben.
Diese Ausgestaltung des Stipendienprogramms war für Stephan Wolf einer der Gründe, hier und nicht an anderer Stelle „der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Außerdem wollte ich in Bildung investieren, weil dies die langfristigste Wirkung hat. Und besonders gut gefällt mir der persönliche Kontakt zu den Geförderten.“
Alle zwei Wochen mailen oder skypen Wolf und „seine“ Stipendiatin Anne Nyokabi. Die 26-Jährige studiert den Masterstudiengang Informatik. „Stephan nimmt mir nicht nur eine große finanzielle Last von meinen Schultern, ich habe im Studium auch schon unglaublich viel von seinem Rat profitiert. Als zum Beispiel mein erstes Praktikum anstand, war ich sehr nervös, weil ich nicht wusste, wie die Unternehmenskultur in Deutschland ist“, erzählt Nyokabi, die aus Kenia kommt. „Da hat er mich ermutigt. Er ist inzwischen wie ein Freund für mich.“
„Stipendienkultur wird von Generation zu Generation weitergetragen“
Zahlreiche Freundschaften sind auch unter den Stipendiatinnen und Stipendiaten entstanden, die sich regelmäßig treffen und sich sozial unter dem Motto „Talente spenden“ engagieren. Anne Nyokabi und Ines Voggenreiter haben beispielsweise geholfen, die Barrierefreiheit öffentlicher Orte zu prüfen und Aktionen für Geflüchtete unterstützt.
„Hier zeigt sich ein Zusammenhalt in der TUM-Familie, wie ich ihn mir nur wünschen kann“, freut sich TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann. „Diese Verbundenheit erleichtert wiederum gemeinsames gesellschaftliches Engagement. Bemerkenswert ist, dass wir daraus innerhalb nur eines halben Jahrzehnts an der TUM eine nachhaltige Stipendienkultur entwickelt haben, die bereits von Generation zu Generation weitergetragen wird.“ Mittlerweile folgen auch zahlreiche Professoren der TUM der Ermutigung ihres Präsidenten, selbst Stipendienstifter, sich bei den Deutschlandstipendien zu engagieren.
Christian Schmied sagt, er folge dem Vorbild seines Förderers, des Managers und TUM-Ehrenbürgers Dr. Otto Majewski. Ines Voggenreiter ist sich sicher, später selbst ein Deutschlandstipendium zu finanzieren. Anne Nyokabi sagt: „Das wäre mein Traum, jemandem genauso zu helfen, wie Stephan Wolf mir jetzt hilft.“
Mehr Informationen:
Deutschlandstipendium an der TUM
Video "Leistung ist vielfältig - Deutschlandstipendium an der TUM" (1:08 Min., youtube)
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