Paralympics 2016:
Mit dem Bogen nach Rio
Vanessa, wie bist Du zum Bogenschießen gekommen?
Bui: Als ich 13 Jahre alt war, habe ich nach einem Sport gesucht, bei dem mich mein Handicap nicht beeinträchtigt und bei dem andere nicht immer auf mich Rücksicht nehmen müssen. Mein Vater hat mich aufs Schießen gebracht und so habe ich im Bogensport-Verein einen Anfängerkurs absolviert. Es hat mir großen Spaß gemacht und irgendwann habe ich angefangen, an Turnieren teilzunehmen. Seit 2014 bin ich in der Nationalmannschaft des Deutschen Behindertensportverbands.
Du hast spastische Diplegie. Wie äußert sich die?
Meine Beinmuskulatur zieht meine Beine nach innen, was meine Bewegung einschränkt. Laufen ist für mich deshalb anstrengend. Beim Bogenschießen geht es vor allem um Stabilität und Präzision. Ich bin in Rumpf und Beinen weniger stabil als andere, kann das aber sehr gut kompensieren. Ich trainiere im Bogensportverein Fürstenfeldbruck zusammen mit Nichtbehinderten. Meine Behinderung spielte nur eine Rolle, als der Verein seine Satzung ändern musste, damit ich an Turnieren teilnehmen kann.
Du bist dabei sehr erfolgreich. Was ist Dein nächstes Ziel?
Ich nehme an nationalen und internationalen Turnieren teil und war dabei schon in Holland, Tschechien und Frankreich. In diesem Jahr möchte ich mich für die paralympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifizieren. Dafür trainiere ich zurzeit jeden Tag mehrere Stunden lang auf dem Schießstand und habe nebenbei auch Fitnesseinheiten. Ende Juli entscheidet der Bundestrainer, wen aus der Mannschaft er nach Brasilien schickt. Es geht vor allem darum, wer sich bis dahin am besten entwickelt und die besten Medaillenchancen hat.
Neben dem Schießen studierst Du Informatik an der TUM. Wie bringst Du das alles unter einen Hut?
Wenn nicht gerade die Paralympics vor der Tür stehen, trainiere ich unter der Woche nur ein bis zwei Mal. Zwar finden am Wochenende meist noch Turniere statt, aber das kann ich gut mit meinem Studium in Einklang bringen. In diesem Jahr ist es ein bisschen schwieriger. Ich habe im April schon an der Europameisterschaft teilgenommen und hatte einen längeren Lehrgang. Trotzdem habe ich eigentlich ein ganz normales Semester mit 28 Credits, um mein Studium zu beenden. Das und vor allem die intensive Vorbereitung für Rio haben mich dazu bewogen, mein Studium noch um ein Semester zu verlängern.
Seit drei Jahren bekommst Du das Deutschlandstipendium. Was bedeutet Dir das?
Das Stipendium bedeutet mir sehr viel. In den ersten beiden Jahren wurde ich von MAN gefördert, seit diesem Jahr von BOSCH. Ich finde es toll, dass dabei die unterschiedlichen Leistungsaspekte berücksichtigt werden, nicht nur Noten, sondern auch die persönlichen Umstände. Natürlich ist es auch finanziell eine große Hilfe. Wegen des Bogenschießens habe ich keine Zeit für einen Studentenjob. Ohne die Unterstützung durch das Deutschlandstipendium müsste ich kürzer treten.
(Interview: Sabrina Czechofsky)
Vanessa Bui, 23, kommt aus Fürstenfeldbruck, wo sie auch bis heute in ihrem Heimatverein trainiert. Nach dem Abitur machte sie zunächst eine Ausbildung zur Industrietechnologin in Erlangen und begann vor drei Jahren ihr Informatikstudium an der TUM. Mittlerweile studiert sie im 6. Semester und möchte im Anschluss daran auch einen Informatik-Master machen. Anfang August entscheidet sich, ob Vanessa Bui im September zu den Paralympics nach Rio de Janeiro fahren wird.
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Vanessa Bui Kampagne "Goldjäger"