• 21.3.2016

Zwei Studien belegen Vorteil von heimischen Samenmischungen

Regionales Saatgut gedeiht besser

Bunte, extensiv genutzte Wiesen und Weiden bieten wertvollen Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten, sind aber vielerorts sehr selten geworden. Um solche Grünlandtypen wieder zu schaffen, müssen die Pflanzen eingesät werden. Wissenschaftler und Naturschützer plädieren für Saatgut aus der gleichen Region, in der die künftige Wiese liegt. Ein Team der TU München und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Halle sowie der Universitäten in Tübingen und Münster hat untersucht, wie sinnvoll dieser Ansatz ist, und schlussfolgert, dass Regio-Saatgut große Vorteile hat.

Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) zeigt ausgeprägte genetische Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland und zusätzlich noch regionale Anpassung. (Foto: Walter Durka)
Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) zeigt ausgeprägte genetische Unterschiede zwischen Nord- und Süddeutschland und zusätzlich noch regionale Anpassung. (Foto: Walter Durka)

Wenn Förster neue Bäume pflanzen, nehmen sie dafür schon lange kein beliebiges Saatgut mehr, denn Rotbuche ist nicht gleich Rotbuche. Vielmehr gibt es innerhalb jeder Art Varianten, die sich an die speziellen Herausforderungen ihres Lebensraums angepasst haben. Manche vertragen beispielsweise mehr Trockenheit als ihre Artgenossen, andere sind Spezialisten für harsche Winter. Daher ist in der forstlichen Praxis festgelegt, aus welcher Region das für eine bestimmte Pflanzung verwendete Saatgut stammen muss.

„Bis vor wenigen Jahren hat es eine solche Regelung für das Bepflanzen von Kompensationsflächen, etwa bei einem Bau einer Autobahn, nicht gegeben“, erklärt Professor Johannes Kollmann vom Lehrstuhl für Renaturierungsökologie der TUM, „wir haben jetzt drei Jahre lang dazu Versuche mit Pflanzen durchgeführt und konnten feststellen, dass Saatgut im heimischen Umfeld meistens im Vorteil war gegenüber Mischungen aus benachbarten Regionen oder dem Ausland.“

Allein in den Jahren 2007 und 2008 hat Deutschland 13.000 Tonnen Gras- und 280 Tonnen Kräuter-Samen importiert. Saatgut, welches an Bedingungen des Aussaatortes oft nicht angepasst ist, wie die zwei Studien der Forschungsgruppe in der Fachzeitschrift „Journal of Applied Ecology“ nun belegen, und damit mit sogenanntem Regio-Saatgut nicht mithalten kann.

Aber ist das Regio-Saatgut-Konzept wirklich sinnvoll?

Um diese Frage fundiert beantworten zu können, fehlte es bis vor kurzem an Daten. Niemand wusste, wie groß die genetischen Unterschiede zwischen Artgenossen aus verschiedenen Herkunftsgebieten tatsächlich sind. Geschweige denn, ob solche Abweichungen einen Einfluss auf das Gedeihen der Pflanzen haben.

Das Forschungsteam mit Beteiligung der TU München und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung  (UFZ) Halle-Leipzig sowie der Universitäten in Tübingen und Münster haben sieben häufige Wiesenpflanzen untersucht, die aus acht der 22 deutschen Herkunftsgebiete stammten. „Bei den untersuchten Arten gibt es genetische Unterschiede zwischen den Regionen“, erklärt Professor Kollmann, „das ist neu, denn die Vielfalt der Krautarten wurde bisher nicht ausreichend untersucht.“ Wie groß die Unterschiede sind, hänge allerdings von der Biologie der jeweiligen Pflanze ab.

Gräser, die vom Wind bestäubt werden und sich nicht selbst befruchten können, tauschen ihre Erbinformationen zum Beispiel über relativ große Entfernungen aus. Daher haben die Forscher beim weit verbreiteten Glatthafer die geringsten genetischen Unterschiede zwischen den Regionen gefunden. Ein ganz anderes Bild bot sich dagegen bei der Kuckucks-Lichtnelke. Diese Art lässt ihren Pollen von Insekten verteilen – mitunter sogar zwischen Blüten der gleichen Pflanze. Zudem ist sie deutlich seltener als der Glatthafer. „Das alles führt zu einem geringen Genfluss und damit zu großen genetischen Unterschieden zwischen den Populationen“, erklärt Dr. Walter Durka, Biologe am UFZ.

Bei einigen Arten, wie etwa dem Weißen Labkraut, haben die Forscher zudem einen deutlichen Trend festgestellt: Je größer die Entfernung und je unterschiedlicher das Klima zwischen zwei Herkunftsregionen ist, umso deutlicher fallen auch die genetischen Unterschiede aus. Ein deutliches Indiz dafür, dass diese Pflanzen regional angepasst sind. Sie kommen in der Nähe ihrer ursprünglichen Heimat besser zurecht als in anderen Teilen Deutschlands.

Ob das tatsächlich so ist, hat das Team im Rahmen einer zweiten Studie getestet. Dazu haben die Forscher die sieben Arten aus den acht Regionen in Freising, Tübingen, Halle und Münster ausgesät und beobachtet, wie gut sie jeweils wuchsen und wann sie blühten. So lieferten die regionalen Gewächse im Schnitt sieben Prozent mehr Biomasse und zehn Prozent mehr Blütenstände als Artgenossen, die aus anderen Gegenden stammten. „Damit wurde deutlich, dass wir regionale Genotypen unbedingt erhalten sollten“, urteilt Professor Kollmann.

Reaktionen bei Wandel des Klimas

Auch ungewöhnlich warme Temperaturen wie im Versuchs-Sommer 2013 ändern daran nichts. Kritiker des Regio-Saatgut-Konzepts argumentierten, dass es in Zeiten des Klimawandels nicht zukunftstauglich sei: Angesichts der steigenden Temperaturen könnten sich Pflanzen aus dem Süden womöglich besser behaupten. Dafür gibt es keine Indizien. Obwohl die Temperaturen in den Versuchsgärten im Jahr 2013 um 1,5 bis zwei Grad über dem langjährigen Mittel lagen, hatten die Pflanzen aus wärmeren Regionen keinen Vorteil. Möglicherweise liegt das daran, dass nicht nur die Temperatur über besseres oder schlechteres Wachstum entscheidet. Ebenso können die Tageslänge oder die Zusammensetzung der Mikroben-Gemeinschaften am jeweiligen Standort eine wichtige Rolle spielen. Und wenn die regionalen Pflanzen an solche Faktoren besser angepasst sind, können sie ihren Vorteil offenbar in warmen Jahren ausspielen.

Publikationen:

Durka W, Michalski SG, Berendzen KW, Bossdorf O, Bucharova A, Hermann JM, Hölzel N, Kollmann J (2016): Genetic differentiation within multiple common grassland plants supports seed transfer zones for ecological restoration. Journal of Applied Ecology, DOI: 10.1111/1365-2664.12636

Bucharova A, Michalski SG, Hermann JM, Heveling K, Durka W, Hölzel N, Kollmann J, Bossdorf O (2016): Genetic differentiation and regional adaptation among seed origins used for grassland restoration: lessons from a multispecies transplant experiment. Journal of Applied Ecology,  DOI: 10.1111/1365-2664.12645

Kontakt:

Prof. Johannes Kollmann
Technische Universität München
Lehrstuhl für Renaturierungsökologie
Emil-Ramann-Str. 6
85350 Freising
Tel. (+49)8161-713498
E-Mail: jkollmannspam prevention@wzw.tum.de

Weiterführende Links:

Einführung in das Regio-Saatgut-Konzept und Karte der Herkunftsgebiete

Technische Universität München

Corporate Communications Center

Aktuelles zum Thema

HSTS