10 Jahre Deutschlandstipendium an der TUM
Ein Stipendium, das Freiraum schafft
Manchmal ist Ehrenamt auch ziemlich praktisch: Wenn Donald Chidera Abonyi samstags loszieht, um mit anderen zusammen Plastik und Müll in den Münchener Grünflächen aufzusammeln, erkundet er dadurch jedes Mal seinen Wohnort ein Stück besser. Durch die gemeinnützige Arbeit kenne er mittlerweile viele Orte, an die er sonst nie gekommen wäre, erzählt er. Abonyi lebt seit zwei Jahren in Deutschland und ist dabei mehr als ein Student. Neben seinem Engagement für den Umweltschutz verteilt er samstags manchmal Lebensmittel bei der Münchner Tafel; bald will er Pate in einer Flüchtlingsinitiative werden.
Abonyi ist ein großer und ruhiger Mann mit Vollbart. Er wirkt entspannt und bescheiden, obwohl er zu den besten Studenten seines Fachs gehört. Der 28-Jährige studiert im Master Power Engineering an der TUM und ist Deutschlandstipendiat. Dieses Stipendium unterstützt junge Menschen, die neben guten Noten im Studium auch sonst Besonderes leisten – ob als junge Eltern, im Bewältigen von Krisen oder beim Engagement im Verein oder an der Universität. Monatlich erhält er 300 Euro, die Hälfte davon ist Zuschuss des Bundes, die andere Hälfte wirbt die Universität von privaten Fördernden, Stiftungen oder Unternehmen ein.
Das Stipendium schenkt Zeit
Als Donald Chidera Abonyi sein Erststudium in Nigeria abschloss, herrschte dort eine schwere Wirtschaftskrise. Er verlor seine Ersparnisse. Sein großer Traum war ein Maschinenbau-Studium in Deutschland. „Ich war begeistert von diesem Land, in dem die Forschung und Industrie so stark sind“, sagt er. Also bewarb er sich an der TUM und für das Deutschlandstipendium – mit Erfolg. Abonyi engagiert sich schon länger: In seinem Heimatland initiierte er „Climate Change Clubs“, um Grundschülerinnen und Grundschüler für den Klimawandel zu sensibilisieren. „Die Jury achtet darauf, was du für ein Mensch bist und welche Herausforderungen du meisterst“, sagt Abonyi.
Wenn man Neslihan Ülkü Şahin fragt, in wo sie sich engagiert, sollte man sich einen Moment Zeit nehmen. Die 22-jährige Münchnerin studiert im Master Elektro- und Informationstechnik, ist Vorstandsvorsitzende einer Studierendeninitiative und daneben in zahlreichen weiteren Initiativen und Moscheegemeinden aktiv. In Workshops vermittelt sie Jugendlichen, wie sie ihren Plastikverbrauch und CO²-Abdruck reduzieren können.
Gemeinsam mit dem Bayerischen Roten Kreuz leitet sie eine regelmäßige Blutspende-Aktion, sie koordiniert Bücherspenden und hilft im Seniorenheim aus. „Ich mag es, anderen Menschen nicht nur im Alltag zu begegnen, sondern mit ihnen sinnvolle Tätigkeiten auszuüben. Das ermöglicht Networking auf einer tiefgründigen Ebene“, erzählt sie. Das Deutschlandstipendium schenkt die dafür notwendige Zeit: „Das Stipendium ermöglicht mir, meinem zeitintensiven Studium nachzukommen und meine restliche Energie für meine ehrenamtlichen Interessen einzusetzen“, sagt Şahin. Andernfalls müsste sie in Teilzeit arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
Kreislauf des Gebens und Nehmens
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten treffen sich regelmäßig bei Stammtischen oder werden gemeinsam aktiv, zum Beispiel in der Initiative „Talente spenden“. Einmal im Jahr lernen sich Fördernde und Geförderte bei einer großen Feier kennen. Abonyi wird emotional, wenn er davon erzählt. „Mein Förderer im ersten Jahr war ein Unternehmer, der mich einfach so, aus freien Stücken unterstützt hat. So jemand ist für mich ein Vorbild“, sagt er. Und dieses Vorbild heißt Roland Lacher. Der 78-jährige Unternehmer ist TUM-Alumnus; ein gelernter Maschinenbauer, der als Pionier in der DVD-Produktion gilt. „Meine Eltern hatten die Maxime: Wer studiert, soll nicht nebenbei arbeiten, um sich besser fokussieren zu können – auch außerhalb des Studiums“, sagt er.
Mehrwert für die Gesellschaft schaffen
Als Lacher in den Ruhestand ging, verspürte er den Wunsch, etwas zurückzugeben. „Ich wollte Talente fördern und erinnerte mich an die Freiheit während meines eigenen Studiums“, sagt er. So wurde Lacher nicht nur Gründungsmitglied der TUM Universitätsstiftung. Er ging noch einen Schritt weiter und gründete eine eigene Stiftung: Jedes Jahr unterstützt er zwischen acht und zwölf Studierende. Einige der ehemaligen Geförderten an der TUM stiften ebenfalls bereits neue Stipendien. Auch Chidera Abonyi möchte nach seinem Studium ein Förderer werden. Diesen Kreislauf des Nehmens und Gebens bezeichnet er als „Beauty of Deutschlandstipendium“.
Viele der Stipendiatinnen und Stipendiaten kommen aus nichtakademischen Elternhäusern. Bei der Ingenieurin Şahin war das anders, auch ihr Vater und ihre Geschwister sind Ingenieure. Eigentlich wollte sie nie in diese Richtung, bis ihr klar wurde: „Die Hauptaufgabe einer Ingenieurin ist das Lösen von Problemen. Das macht den Beruf zu einem der kreativsten überhaupt“, sagt Şahin. In ihrem Master möchte sie sich in Bio- und Neuroengineering spezialisieren und später im Bereich Biotechnologie arbeiten: „Hier arbeite ich in einem interdisziplinären Umfeld an technischen Lösungen, um die medizinische Behandlung der Menschen zu verbessern.“ Und so soll es bei der Stipendiatin auch nach dem Studium genau darum gehen: einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen.
- Leistung ist vielfältig: Man kann sie nicht nur auf Zeugnissen lesen, sondern auch am Engagement für die Gesellschaft erkennen. Deshalb fördert das Deutschlandstipendium Menschen, die sich einbringen und berücksichtigt neben der akademischen Leistung auch gesellschaftliches Engagement und soziale Kriterien.
- Die Stipendiatinnen und Stipendiaten erhalten für ein Jahr monatlich 300 Euro. Die Hälfte bezahlt der Bund, der das Deutschlandstipendien-Programm aufgelegt hat. Die andere Hälfte werben die Hochschulen selbst bei Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen ein.
- In den zehn Jahren seit dem Start des Deutschlandstipendiums hat die TUM insgesamt rund 5.300 Stipendien vergeben, mehr als 800 allein im Förderjahr 2020/2021.
- Bewerben können sich Studierende vom 28. Juni bis 11. Juli 2021, Abiturienten zusätzlich vom 26. Juli bis 8. August 2021. Es gibt keine Altersbeschränkung.
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