• 5.12.2024
  • Lesezeit: 6 Min.

Interview mit Prof. Daniel Cremers über die Zukunft der KI

„KI soll unser Leben einfacher machen“

Technologien, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhen, prägen schon jetzt den Alltag. Seien es Empfehlungssysteme, die die Film- und Musikauswahl erleichtern, oder Sprachassistenten, die das Schreiben einer E-Mail übernehmen. Doch welche Entwicklungen wird es in den nächsten Jahren geben? Einblicke in die Zukunft der KI gibt Daniel Cremers, Professor für Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München (TUM). Das Ziel seiner Forschung ist es, Maschinen die Analyse und Interpretation von Bilddaten nahezubringen.

Daniel Cremers, Professor für Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz Astrid Eckert / TUM
Daniel Cremers, Professor für Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz
Wie viel Kontakt haben wir in unserem täglichen Leben schon mit KI?

Wir kommen heute schon tagtäglich in Kontakt mit KI. Sobald wir eine Hardware nutzen, wie ein Laptop oder ein Handy haben wir auch Berührungspunkte mit KI. Sei es bei der Entsperrung des Handys mittels Face-ID oder bei der Nutzung von Sprachassistenzsystemen.

Sie haben aktuelle Anwendungsbeispiele für KI genannt. Welche Entwicklungen erwarten uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren?

In der Regel liegen jahrelange Forschung hinter einer Entwicklung, bevor die Öffentlichkeit davon erfährt. Dadurch haben wir schon eine Tendenz, in welche Richtung es gehen könnte. Wir haben vor etwa 20 Jahren mit der Arbeit an Fahrerassistenzsystemen und selbstfahrenden Autos begonnen. Autonome Fahrzeuge wird es daher sehr sicher in Zukunft geben. Bis zu einem gewissen Maß gibt es die heute schon. Daneben kann ich mir autonome Roboter und selbstfliegende Drohnen sehr gut vorstellen. Auch bei Übersetzungstechnologien halte ich erhebliche Fortschritte für möglich. Ich warte schon seit Jahren auf den Knopf im Ohr, der in Echtzeit verschiedene Sprachen hin und her übersetzt und dabei jede Sprache im Klang meiner Stimme spricht.

Welche weiteren vor allem auch gesellschaftlichen Herausforderungen erwarten uns bei der fortschreitenden Entwicklung der KI und dem weiteren Einzug in unseren Alltag?

KI wird unsere Gesellschaft ganz gewaltig beeinflussen. Veränderungen gehen bei vielen Menschen allerdings auch mit Ängsten einher. Eine konkrete Angst ist dabei beispielsweise, dass uns KI die Arbeit wegnimmt. Eine weitere Angst ist verbunden mit der fehlenden Privatsphäre bei KI. Nicht jeder möchte ein gläserner Mensch sein, bei dem jede Handlung verfolgt und nachvollzogen werden kann.

Wie schätzen Sie konkret den Einfluss von KI-Anwendungen auf unsere Arbeitswelt ein?

Ein Ziel von KI ist es, uns Menschen Arbeit abzunehmen und uns damit das Leben zu erleichtern. Meine Hoffnung ist, dass uns KI insbesondere bei Routine-Aufgaben zur Hilfe kommt. KI funktioniert oft genau bei diesen Aufgaben gut, da stupide immer wieder die gleichen Schritte ausgeführt werden. Dann kann sich der Mensch auf Sachen konzentrieren, die interessanter, vielfältiger und auch herausfordernder sind. Hinzu kommt aber auch eine gesellschaftliche Veränderung, die mitgestaltet werden muss. Als Gesellschaft muss man sich beispielsweise die Frage stellen, welche Ausbildungen brauchen wir in Zukunft noch? Welche Berufsgruppen müssen wir vielleicht auch umschulen? In der Geschichte der Menschheit hat es immer wieder solche Veränderungen gegeben, und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.

Sie haben den Einfluss auf die Arbeitswelt erläutert. Wie steht es um die Privatsphäre?

Bei der Privatsphäre ist es entscheidend, dass man sich als Gesellschaft bei entsprechenden Gesetzen einigt. Hinzu kommt aber, dass wir eine globalisierte Welt sind. Das heißt, dass wir nicht wissen, ob andere Länder mitziehen. Insbesondere weil die Privatsphäre nicht überall den gleichen Stellenwert hat. Es ist ganz ähnlich wie mit den Themen Abrüstung und Klimawandel. Wir müssen uns mit anderen Ländern vernetzen und sicherstellen, dass es ein gemeinsames Abkommen gibt, an das sich jeder hält.

In Bezug auf Datenschutz handelt Deutschland sehr restriktiv. Sind damit wirtschaftliche Nachteile verbunden?

Als es mit den ersten Regulierungsversuchen für KI losging, hieß es immer, Datenschutz sei ganz wichtig. Es dürfen keine privaten Daten geteilt werden. Das Problem ist, wenn man ausschließlich den Datenschutz forciert, dann führt das dazu, dass am Ende keine Daten mehr ausgetauscht und entsprechende KI-Verfahren nicht entwickelt werden können. Wir sind inzwischen beispielsweise so weit, dass wir Tumore und andere Erkrankungen mithilfe von KI mit einer erstaunlichen Zuverlässigkeit erkennen können. Die Haupthürde dabei war, unter Berücksichtigung aller Datenschutzrichtlinien an die entsprechenden Daten von Patientinnen und Patienten zu gelangen.  Wenn die bürokratischen Hürden für die Datennutzung höher sind als in anderen Ländern, dann führt das dazu, dass KI-Technologien dort schneller entwickelt werden können. Wenn uns keine Daten zur Verfügung gestellt werden, können wir auch keine KI trainieren.

Wer nutzt unsere Daten zum Training von KI?

Einerseits wird sehr viel Forschung im Bereich der KI betrieben. Andererseits gibt es zahlreiche Konzerne, die mit ihren KI-Technologien Erfolge feiern. Nicht zu vergessen an dieser Stelle ist, dass wir nicht nur sehr viele Trainingsdaten brauchen, sondern auch extrem viel Rechenleistung. Das bedeutet gleichzeitig auch riesige Investitionen in die Infrastruktur. Hier zieht die akademische Forschung den Kürzeren im Vergleich zu großen Unternehmen. Wir sind daher froh, dass die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung erhebliche Investitionen in Aussicht stellen.

Wie ist Ihre abschließende Einschätzung: Ist KI nur ein Trend oder wird sie unser Leben nachhaltig verändern?

Ich glaube nicht, dass KI nur ein Hype ist, sondern dass sie unser Leben in den nächsten Jahren nachhaltig verändern wird. Forschung zu KI gibt es schon sehr lange. Dabei gab es auch immer wieder Phasen, in denen niemand mehr an den Erfolg der Technologie geglaubt hat. Das wird nicht mehr passieren, denn bereits jetzt hat die KI eine Vielzahl von Durchbrüchen erreicht und sie wird in den kommenden Jahren immer leistungsfähiger werden und immer mehr Bereiche erfassen. Meine Aufgabe als KI Forscher liegt darin, KI Technologien zu entwickeln, die auch wirklich der Gesellschaft dienen und unser Leben verbessern.

Zur Person:
  • Prof. Daniel Cremers leitet den Lehrstuhl für Computer Vision und Künstliche Intelligenz an der TUM.
  • Außerdem ist er Direktor des integrativen Forschungsinstituts Munich Data Science Institute (MDSI). Diese Querschnittsinstitute widmen sich jeweils einem technologisch und gesellschaftlich hochrelevanten Wissenschaftsfeld. Das MDSI forscht zu den mathematischen und computerwissenschaftlichen Fragen der Datenanalyse und entwickelt neue Theorien und Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz. Daraus entwickelt es Anwendungen für die verschiedenen Forschungsfelder der TUM, wie etwa personalisierte Medizin, Lebenswissenschaften, Luft- und Raumfahrt, Mobilität, Additive Fertigung, Materialwissenschaften, Quantenforschung und Klimaforschung.
  • Prof. Daniel Cremers ist auch Direktor des Munich Center for Machine Learning (MCML). Das MCML ist eine gemeinsame Initiative von TUM und LMU. Das Zentrum besteht aus über 45 Forschungsgruppen und hat das Ziel, die Grundlagenforschung im Bereich des maschinellen Lernens, mit einem starken Bezug zu realen Anwendungen, voranzutreiben. Das MCML ist eins von sechs nationalen KI Kompetenzzentren, das von der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern dauerhaft finanziert wird. Es ist integraler Bestandteil der Deutschen KI-Strategie und der Hightech-Agenda Bayern.
  • Seit 2023 ist Prof. Daniel Cremers Präsident der European Computer Vision Association.
Weitere Informationen und Links

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr. Daniel Cremers
Technische Universität München (TUM)
Professor für Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz
cremersspam prevention@tum.de

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