Projektwoche am TUM Center for Culture and Arts
Eine Woche im Theater
Angekommen in der Schreinerei des Theaters wird dem Mathematikstudenten Shend eines zum ersten Mal bewusst: „Wie viel Arbeit in jedem Detail steckt“, staunt er. Wie viele Menschen, Gewerke und Ideen zusammenwirken, um am Abend auf der Bühne ein Publikum zu verzaubern – und vielleicht dazu anzuregen, über die eigene Welt neu nachzudenken.
Bei einer Führung durch die Münchner Kammerspiele laufen Shend und fünf weitere Studierende der TUM vorbei an den Bühnenaufgängen und durch unzählige Gänge und Werkstätten. Die Exkursion ist Teil eines besonderen Lehrformats: Während der Projektwochen der TUM arbeiten Studierende eine Woche lang fachübergreifend an einem Thema zusammen.
„Ich wusste gar nicht, dass es dabei auch um Theater geht“, sagt Tengman, der Maschinenwesen studiert. „Mich hat einfach das Thema interessiert.“ Die Aufgabe: In einer Woche sollen die sechs Studierenden mit Video, Sprache, Malerei und mit den Mitteln des Theaters experimentieren, um künstlerisch eine Vision für das Leben in der Zukunft zu entwickeln. Dafür, in einer fernen Galaxie eine neue Zivilisation zu erschaffen. „Der kreative Ansatz hat mich neugierig gemacht“, erzählt Micaela, die Elektrotechnik und Informationstechnik studiert.
Bis 21. April 2024 können sich Lehrende der TUM für die Projektwochen-Förderung im Wintersemester 2024/25 bewerben. Erstmals werden auch Projekte gefördert, die zu verschiedenen Zeiten im Wintersemester stattfinden.
Das besondere Lehrformat bietet einen Rahmen, in dem Studierende und Lehrende über Disziplinen, Curricula und Standorte hinweg an Fragestellungen und Projekten arbeiten können. Denn ob Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Entrepreneurship: Viele der wichtigsten Themen unserer Zeit sprengen Fachgrenzen.
Mit Kultur neue Perspektiven eröffnen
Angeboten wird diese Projektwoche von einer jungen Einrichtung der TUM, die sich die Verknüpfung von Wissenschaft mit Kunst und Kultur zum Ziel gesetzt hat: das TUM Center for Culture and Arts (CCA). Das CCA-Programm lädt Menschen aus der Universität zu Begegnungen mit Kunst und Kultur ein, um sie zu inspirieren und neue Perspektiven zu eröffnen.
„Wir schaffen Verbindungen und befeuern die geistige Lebensfreude“, sagt Felix Mayer. Der Dirigent und Honorarprofessor ist Intendant des neuen Centers. Ob für den überfachlichen Austausch oder den Bezug der Wissenschaft zur Gesellschaft – Kunst helfe, sich auf andere Denkweisen einzulassen und sich selbst besser kennenzulernen. „Wenn ich etwas Substanzreiches schaffen will, muss ich meinen Blick für die Welt öffnen.“
Dass die Liebe zur Musik Menschen über die Disziplinen verbindet, erlebt Mayer oft. Bei den Adventskonzerten der TUM dirigiert er seit 2008 das Symphonische Ensemble München, seit 2012 auch den Chor der TUM. Dabei entfalte die Schönheit der Kunst eine besondere Motivation. „Wieso kommen Menschen nach einem langen Arbeitstag noch zur Orchesterprobe? Weil uns Kunst auf eine ganz eigene Art bereichert.“
Mit seinem Team baut Mayer das neue Kulturprogramm auf. Dazu gehört ein eigenes Lehrprogramm, angeboten in Zusammenarbeit mit der überfachlichen Kontextlehre „Wissenschaft-Technologie-Gesellschaft“ an der TUM School of Social Sciences and Technology. Zudem sind sie Ansprechpartner:innen für studentische Initiativen und Ensembles am Campus. Nicht zuletzt aber wollen sie mit Kulturevents den Campus beleben. Gerade laufen die Vorbereitungen für ein Kunst- und Kulturfestival im Sommer in München. Bereits im Dezember 2023 feierte die TUM die Gründung des Centers in der Isarphilharmonie und mit „Nobel Heroes“, einer Ausstellung des Fotografen Peter Badge, mit Porträts von Nobelpreisträger:innen in der Immatrikulationshalle.
Wie leben wir in der Zukunft?
Zurück in die Kammerspiele: Die Tour der Studierenden endet auf dem Dach des Theaters, in einem ringsum von Fenstern erhellten Raum. Gerade noch haben sie erlebt, wie in Werkstätten und auf Probebühnen die Uraufführung von „Land“ entsteht, ein Stück über Klimawandel, Nachhaltigkeit und davon, wie Menschen seit Jahrhunderten dem Land ihre Lebensgrundlage abtrotzen. „Jetzt seid ihr dran“, sagt Julia Maier. Sie betreut an den Kammerspielen die künstlerische Bildung und begleitet die Gruppe heute. „Mit eurem technischen Hintergrund: Wie könnte die Zukunft für euch aussehen?“, fragt sie in die Runde.
Mit verteilten Rollen lesen sie aus dem unveröffentlichten Text der Produktion „Land“. Dann fangen sie an zu schreiben, zeichnen, diskutieren. Während das Stück in der Gegenwart endet, entwerfen sie ein neues Zeitbild. Schnell geht es um Biorobotik, um Vertical Farming, um Gentechnik und virtuelle Realität – und die Frage, wie viel intakte Natur es in 50 oder auch 500 Jahren noch gibt.
Julia Maier baut die Kooperation zwischen der TUM und den Kammerspielen mit auf, zwischen der Exzellenzuniversität und dem Theater der Stadt, das zu den besten im deutschsprachigen Raum zählt. „Art meets Technology“ heißt diese Kulturpartnerschaft.
Neues Publikum gewinnen ist ein Ziel, aber auch ins Gespräch zu kommen zu gesellschaftlichen Fragen, die das Theater verhandelt. Maier stellt fest: „Die jungen Menschen aus den Ingenieur- oder Naturwissenschaften bringen oft einen unverstellteren Blick mit. Sie gehen ganz anders mit dem Theater um.“
Neben günstigen Tickets für Studierende bedeutet die Kooperation exklusive Gespräche mit Künstler:innen und Expert:innen, ebenso Workshops im Bildungsangebot „MK:Campus“.
Es gehört auch Mut dazu
Wenige Tage später wird im Theaterlabor der Kammerspiele in Neuperlach das Stück von Shend, Tengman, Micaela und ihren Kommiliton: innen aufgeführt. Ihr Publikum sind Teilnehmer:innen anderer Projektwochen. Ein paar Handgriffe noch für die Kulisse, eine Leinwand improvisieren, eine Box mit Silberfolie in einen Roboter verwandeln. Am Technik-Pult bereiten Micaela und Tengman die Hintergrundpräsentation mit Videos, Bildern und Musik vor. Alle sind hochkonzentriert.
Immer dabei ist Dozentin Ingrid Lughofer. Die freie Dramaturgin hat sie die ganze Woche begleitet und Ideen in Bahnen gelenkt. „Es gehört manchmal etwas Mut dazu, die eigene Kreativität auszuprobieren“, sagt Lughofer. „Aber dadurch gewinnen die Studierenden so viel Selbstvertrauen.“
Der Applaus am Ende ist der Lohn für ihren Mut und das Stück. Es sind zwei Szenen, die in einem eindrücklichen Science-Fiction-Szenario enden: mit einer humanoiden Pilotin, die auf einem Raumschiff ihre eigene Leiche entdeckt. Sie ist ein Ersatz-Klon, der mit dem Schiff voller Embryonen eine neue Welt suchen muss. Angedockt an einen Asteroiden, um nach Treibstoff zu bohren, treibt das Schiff per Anhalter durch eine ferne Galaxie.
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