• 6.2.2020
  • Lesezeit: 4 Min.

Interview mit Prof. Jörg E. Drewes zur Trinkwasserversorgung in Deutschland

„Die Städte sind zunehmend am Limit“

Extreme Wetterereignisse, kürzere Frühjahrsperioden: Die Grundwasserpegel in Deutschland fallen. Prof. Jörg E. Drewes vom Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Universität München (TUM) erklärt, warum die Nutzung von gereinigten Kläranlagenabläufen eine Lösung für eine zukünftige Verknappung des Trinkwassers sein könnte.

Prof. Jörg E. Drewes forscht an neuen Methoden, gereinigte Abwässer aufzubereiten. S. Reiffert / TUM
Prof. Jörg E. Drewes forscht an neuen Methoden, um gereinigte Abwässer aufzubereiten.

Herr Professor Drewes, woher stammt unser Trinkwasser?

Der Hauptteil des Trinkwassers in Deutschland wird aus dem Grundwasser gewonnen. Das ist ideal, denn die natürlichen Bodenschichten filtern bereits Pathogene und schädliche Inhaltsstoffe des Wassers heraus. Auch sind die Grundwasservorkommen gut geschützt und relativ stabil gegenüber Umwelteinflüssen wie etwa Hitze. An vielen Standorten in Deutschland sind diese Vorkommen aber nicht ausreichend. Hier wird das Grundwasser mit Hilfe von Oberflächenwasser aus Flüssen oder Seen angereichert oder das Trinkwasser wird aus Talsperren direkt gewonnen.

Gibt es immer weniger Wasser in Deutschland?

Extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und länger anhaltende Trockenheiten werden in Deutschland zunehmen. Gleichzeitig werden die Frühjahrsperioden immer kürzer. Das führt dazu, dass der Schnee sehr schnell schmilzt und das Schmelzwasser teilweise direkt in die Flüsse abfließt, statt in den Boden zu versickern. Dies kann einerseits zu einer Zunahme von Hochwässern führen, anderseits nimmt die Grundwasserneubildung ab. Das ist ein langfristiger Trend, den wir schon heute beobachten können. Gerade im Norden von Bayern haben diese Entwicklungen besorgniserregende Konsequenzen. Die Fränkische Trockenplatte mit den Städten Würzburg und Schweinfurt ist ein traditionell wasserarmes Gebiet mit sehr begrenzten Grundwasserreserven. Diese Region ist vom Mittelgebirge umgeben, an dem viele Wolken bereits abregnen. Daher können die Grundwasserreserven nicht so schnell wieder aufgefüllt werden. Mit den Auswirkungen des Klimawandels sehen wir schon heute wachsende Nutzungskonflikte durch den Bewässerungsbedarf der Landwirtschaft, der öffentlichen Trinkwasserversorgung aber auch der Sicherung ökologischer Mindestabflüsse in den Flüssen.

„Für den Hausputz, die Toilettenspülung oder die Bewässerung von Grünanlagen muss das Wasser nicht die höchste Qualität haben.”

Sollten wir also Wasser sparen?

Wasser zu sparen macht grundsätzlich Sinn. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass eine solche Maßnahme auch mit der bestehenden Wasserinfrastruktur kompatibel sein muss. Wenn wir zu viel sparen, läuft weniger Wasser durch die Leitungen, sodass es zu stagnierendem Wasser kommen kann und als Folge zu hygienischen Problemen im Trinkwasser. Weniger Wasser heißt aber auch konzentrierteres Abwasser, wodurch es zu Ablagerungen in der Kanalisation kommen kann und als Folge auch zu starken Korrosionen. Damit das System funktioniert, muss es einen Mindestdurchfluss geben. Natürlich wären auch andere Lösungen denkbar. Aber diese Infrastruktur, die über 100 Jahre gewachsen ist, umzustricken, ist nicht einfach. In vielen Städten ist diese Infrastruktur zudem überaltert und Investitionen sind dringend nötig, die aber häufig nur zögerlich angegangen werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Wasserversorgung zu sichern?

Jeder Standort ist anders und deshalb braucht es Lösungen, die auf die lokalen Bedingungen angepasst sind. Daher sehen zukunftsfähige Lösungen sehr unterschiedlich aus. Zudem kann man die Frage stellen, ob man für alle Anwendungen immer Trinkwasserqualität nutzen muss. Für den Hausputz, die Toilettenspülung oder die Bewässerung von Grünanlagen oder in der Landwirtschaft muss das Wasser nicht die höchste Qualität haben, sondern dem Nutzen entsprechen. Gereinigte Kläranlagenabläufe haben heute eine Qualität, dass sie in unsere Flüsse eingeleitet werden können. Es sind aber natürlich noch einige Stoffe enthalten, die man dort nicht haben möchte. Zum Beispiel können Pharmaka oder auch pathogene Keime in der Kläranlage nicht komplett entfernt werden. Das Wasser muss dann also noch weiter aufbereitet werden, um eine Qualität zu erzeugen, mit der eine Vielzahl von Wiedernutzungen möglich würde. Dafür haben wir neue Verfahren entwickelt.

„Was uns antreibt, sind naturnahe Verfahren zu entwickeln, die energieeffizient, reststoff- und CO2-arm arbeiten können.”

Was ist das Besondere an diesen Verfahren?

Was uns antreibt, sind naturnahe Verfahren zu entwickeln, die energieeffizient und reststoff- und CO2-arm arbeiten können. Beim sogenannten SMART-Verfahren verändern wir die Betriebsbedingungen so, dass wir leistungsstarke Bakterien selektieren, die organische Spurenstoffe und pathogene Keime in Kläranlagenabläufen sehr gut abbauen können. Wo eine hohe Flexibilität in der Aufbereitung gefordert ist, kombinieren wir physikalische Trennverfahren wie keramische Membranen mit chemischen Prozessen wie der Ozonung. Keramische Membranen sind in der Anschaffung zwar teurer, aber die Lebenserwartung ist mit 20 Jahren vergleichsweise hoch. Daher ergeben sich niedrigere Kosten über den gesamten Einsatzzyklus. Das heißt, die Investition rechnet sich. Die Membran ist eine sehr zuverlässige Barriere und filtriert die Pathogene, die gelösten Stoffe werden durch Ozon entfernt.

Werden diese Verfahren bereits angewendet?

Die Region Schweinfurt hat den Bedarf gesehen und ist sehr interessiert, diesen Weg zu gehen. Wir führen dort eine Machbarkeitsstudie durch. Dabei war uns wichtig, alle Stakeholder miteinzubeziehen und mit ihnen Vor- und Nachteile zu diskutieren. Wir bereiten dort momentan ein Pilotvorhaben vor, das wir forschungsseitig betreuen. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Stakeholder, da in Schweinfurt seit über 100 Jahren Obst und Heilkräuter angebaut werden, die bewässert werden müssen. Diese Bewässerungsanlagen und weitergehenden Wasserbehandlungsprozesse werden nach Bedarf hochdynamisch betrieben, die idealerweise autonom funktionierten. Daher setzen wir auf neueste Sensortechnologien und Cloudbasierte-Ansätze mit denen wir Wettervorhersagen und Messstände in Echtzeit auslesen und in der Steuerung berücksichtigen.

Technische Universität München

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Kontakte zum Artikel:

Prof. Dr.-Ing. Jörg E. Drewes
Technische Universität München
Lehrstuhl und Versuchsanstalt für Siedlungswasserwirtschaft
+49 (0)89 289 13713
jdrewes@tum.de

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