„Halbblinde Passagiere“:
TUM-Studenten entwickeln Satelliten, der ins All geht
TUMstudinews: TUM-Studenten bauen einen mini Satelliten, der wirklich ins All geht. Wie kommt es zu diesem spannenden Projekt?
Claas Olthoff: Ursprünglich haben sich zwei Professoren der Cal Poly (California Polytechnic State University) und von Stanford einen kleinen Satellitenstandard ausgedacht. Studenten sollten schnellen Zugang zum Weltraum haben. Jetzt entwickeln kleine Teams an Universitäten weltweit die Cubes, die alle denselben Vorgaben entsprechen müssen. So auch wir am LRT der TUM in Garching.
TUMstudinews: Der First-MOVE ist würfelförmig mit einer Kantenlänge von 10 cm und wiegt 1 kg. Was kann dieses kleine Konstrukt alles?
Claas Olthoff: Unser Satellit kann eigentlich alles, was ein „großer“ Satellit auch kann. Er hat einen kleinen Computer, ein Funkgerät und ein Stromversorgungssystem mit Solarzellen und Batterien. Vier der Solarzellen sollen im Weltraum vermessen werden. Zusätzlich hatten wir noch ein wenig Platz. Deshalb haben wir eine Kamera mit eingebaut. Ihr wissenschaftlicher Nutzen ist sekundär. Es ist für uns aber fantastisch, das Ganze optisch begleiten und dokumentieren zu können.
TUMstudinews: Im Oktober 2012 soll der First-MOVE ins All gehen. Entwickelt wird er seit sechs Jahren. Sie sind von Anfang an dabei.
Claas Olthoff: Ich kam 2005 an die TUM und habe Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Seit 2006 haben insgesamt rund 80 Studierende am Cube mitgearbeitet. Die meisten waren Maschinenbaustudenten. Aber auch Physiker und Informatiker haben mitgemacht. Zuerst war ein Start mit einer indischen Rakete vorgesehen. Es gab aber zahlreiche Verschiebungen. Jetzt geht’s aber definitiv los!
TUMstudinews: Momentan laufen die letzten Tests vor dem Start. Welchen Tests muss so ein kleiner Satellit unterzogen werden?
Claas Olthoff: Wichtig ist, die Eigenfrequenz des Cubes zu überprüfen. Dafür kommt er auf einen Rütteltisch, einen „Shaker“, mit dem der Raketenstart simuliert wird. Diesen Shaker-Test konnten wir am IABG in Ottobrunn durchführen. Mit Erfolg! Erfolgreich abgeschlossen haben wir außerdem den Thermal Vakuum Test. Der Satellit umkreist die Erde ja 60 Minuten lang in der Sonne, 30 Minuten lang im Schatten. Der Wechsel zwischen Heiß und Kalt ist enorm. Der Cube muss dem gewachsen sein.
TUMstudinews: Kann denn das Material des Cubes so stark belastet werden?
Claas Olthoff: Zum Abschluss gibt es den sogenannten Acceptance Test. Er ist vom Raketenbetreiber vorgeschrieben. Die Tests sind für die Hardware extrem belastend, daher werden traditionell zwei voll funktionsfähige Würfel entwickelt: ein Qualifikationsmodell, das die harten Tests mitmacht, und ein Flugmodell, das später wirklich ins All geschickt wird.
TUMstudinews: Wann ist es soweit und wer nimmt den First-MOVE der TUM-Studenten mit ins All?
Claas Olthoff: Mitte bis Ende Oktober soll unser Cube mit einer russischen Dnepr-Rakete starten. Die Hauptlast ist der Satellit DubaiSat2. Er wiegt 300 kg. Da die Rakete 3,7 Tonnen Last mitnehmen kann, ist noch viel „Luft“ übrig und es können noch einige andere Satelliten mitfliegen. Wir sind also eine sogenannte „Sekundärnutzlast“. Wir sind die halbblinden Passagiere.
TUMstudinews: Nach Jahren der Entwicklung geht es endlich los. Sind Sie aufgeregt vor dem Start?
Claas Olthoff: Die letzten paar Wochen waren extrem stressig. Wir haben wenig geschlafen, Wochenenden durchgearbeitet und literweise Kaffee getrunken. Wir sind, glaube ich, alle ein bisschen zu erschöpft, um jetzt schon aufgeregt zu sein. Aber im Herbst, wenn wir in unserem Kontrollraum am Lehrstuhl sitzen und darauf warten, dass der Satellit zum ersten Mal über Garching fliegt, dann werden wir mit Sicherheit alle bis zum Zerreißen gespannt sein.
Claas Olthoff (28), ist Doktorand am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik (LRT) von Prof. Ulrich Walter. Er stammt aus Kaiserslautern und hat an der TUM Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Schon als Student hat er am Projekt First-MOVE mitgearbeitet. Inzwischen ist er Betreuer des Projektteams.