Präzise und robuste Nanofabrikation mit Erbgutmolekülen
Bewährungsprobe für DNA-Nanotechnologie
Forschungsaktivitäten im Feld der DNA-Nanotechnologie wurden bisher erschwert, weil eine grundlegende Hypothese nicht belegt werden konnte. Zwar konnten die Forscher bisher bereits eine Reihe unterschiedlicher Objekte designen und genau definieren, wie sich die einzelnen DNA-Stränge aneinander lagern und dann in die gewünschte dreidimensionale Struktur falten. Auch hatten sie bereits gezeigt, dass die erhaltenen Nanostrukturen relativ genau mit ihren Plänen übereinstimmten. Bisher fehlte jedoch ein Beleg für die exakte Positionierung der einzelnen Elemente im Sub-Nanometerbereich. Dieser Beleg konnte nun erstmals mit einem speziell für diese Analyse entwickelten Testobjekt erbracht werden. Das Ergebnis beruht auf einem verbesserten grundlegenden Verständnis und stellt einen wichtigen technischen Durchbruch dar. Es liefert einen entscheidenden Beleg, dass zentrale Annahmen der DNA-Nanotechnologie auch in der Praxis zutreffen. (Video auf YouTube)
In einer weiteren Versuchsreihe fanden die Wissenschaftler heraus, dass sie die für die Synthese von komplexen DNA-Objekten nötige Zeitspanne von einer Woche auf einige Minuten verkürzen können – bei einer Ausbeute von nahezu 100 Prozent. Sie zeigten zum ersten Mal, dass sich bei konstanter Temperatur hunderte von DNA-Strängen innerhalb von Minuten gemeinsam in ein Objekt zusammenfalten, und zwar genau so, wie sie es geplant hatten. Trotz wesentlicher chemischer und struktureller Unterschiede ähnelt dieser Prozess überraschenderweise der Faltung von Proteinen. Dietz erläutert: „Diese Kombination aus schneller Faltung und hoher Ausbeute zeigt uns deutlicher als je zuvor, dass die DNA-Nanotechnologie als Grundlage für eine völlig neue Fertigungstechnik dienen könnte, die sich künftig möglicherweise auch industriell nutzen lässt.“ Es gibt auch unmittelbare Vorteile: „Wir müssen nun nicht mehr eine Woche lang warten, bis wir die Ergebnisse unserer Experimente sehen, da diese Mehrschritt-Syntheseprozesse so viel einfacher und schneller ablaufen.“
Präzise Kontrolle auf der Ebene einzelner Atome
Um zu zeigen, dass spezifische Objekte aus DNA sich im Subnanometerbereich präzise wie geplant zusammensetzen, arbeiteten die Biophysiker der TUM mit Wissenschaftlern am englischen MRC Laboratorium für Molekularbiologie in Cambridge zusammen. Sie synthetisierten eine relativ große, dreidimensionale Struktur aus DNA, die mit spezifischen Motiven versehen war und auch asymmetrisch gestaltet war, um ihre räumliche Orientierung besser erkennen zu können.
Durch Niedertemperatur-Elektronenmikroskopie mit einer Auflösung im Subnanometerbereich konnten die Wissenschaftler einzelne Objekte, die aus über 460.000 Atomen bestehen, genauer untersuchen. Da diese einzelnen Objekte aus einer ganzen Reihe verschiedener Designelemente zusammengesetzt wurden, eignen sie sich auch als Untersuchungsobjekte für weitere Studien. Die Ergebnisse dieser Arbeit, die im Journal Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht sind, zeigen nicht nur, dass sich die Objekte auf atomarer Ebene präzise zusammenfügen, sondern auch, dass diese Strukturen, die man bisher für eher gelartig und elastisch gehalten hatte, rigide genug sind, um komplexe Funktionalitäten zu erreichen.
Schnelle Prozesse mit nahezu 100 % Ausbeute
In einer zweiten Serie von Experimenten, deren Ergebnisse in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science veröffentlicht sind, wurden DNA-Objekte mit 19 unterschiedlichen Designs eingesetzt, die in ihrer Form unter anderem an Teller, Zahnräder oder auch Ziegelsteine erinnern. Vorrangiges Ziel der Wissenschaftler war hier, die Dynamik von Faltung und Entfaltung der DNA genauer zu beobachten. DNA-Stränge, die hier gleichermaßen als Vorlage, Gebrauchsanweisung und Baumaterial fungieren, wurden bisher bei relativ hoher Temperatur zusammengegeben, sodass sie als Einzelstränge vorliegen. Während die Temperatur dann schrittweise abgesenkt wird, lagern sich die DNA-Stränge aneinander, um die geplanten Strukturen auszubilden.
Die Wissenschaftler der TUM konnten diesen Prozess erstmals im Detail beobachten: Alle Reaktionsschritte finden jedoch überraschenderweise in einem spezifischen und relativ engen Temperaturbereich statt, der je nach Form der geplanten DNA-Objekte variiert. Eine praktische Schlussfolgerung aus diesen Beobachtungen ist: Sobald der optimale Temperaturbereich für ein bestimmtes Design feststeht, kann die Selbstorganisation der DNA – also quasi der Fertigungsprozess im Nanobereich – als schneller Prozess bei konstanten Temperaturen ablaufen. Auf diesem Weg konnten die Forscher auch zeigen, dass sie in einer Art „Massenproduktion“ aus Hunderten von DNA-Strängen innerhalb von Minuten (statt Tagen) die gewünschten Objekte herstellen konnten, wobei im Reaktionsansatz fast keine Fehler oder Nebenprodukte entstanden.
„Diese Ergebnisse suggieren nicht nur, dass wir komplexe Objekte aus DNA möglicherweise in industrielle Maßstab herstellen können“, erläutert Dietz. „Sie legen vielmehr etwas nahe, was wir uns bisher kaum vorstellen konnten: Es könnte in Zukunft möglich sein, Nanobauteile aus DNA im Zellkulturmilieu oder sogar in lebenden Zellen zu erzeugen.“
Aus der Perspektive der biologischen Grundlagenforschung ist das wohl spannendste Ergebnis dieser Experimente, dass der Faltungsprozess der DNA der Faltung von Proteinen stärker ähnelt, als bisher angenommen wurde. Diese beiden Arten von Biomolekülen unterscheiden sich in ihren chemischen und strukturellen Eigenschaften deutlich voneinander. Die Wissenschaftler beobachteten jedoch klar definierte „gemeinsame“ Schritte bei der Faltung komplexer DNA-Objekte, die sich nicht von den Mechanismen der Proteinfaltung unterscheiden. Weitere Experimente mit diesen DNA-Objekten könnten daher auch in Form eines Modellsystems zu einem besseren Verständnis der Proteinfaltung führen, die komplex ist und sich schwierig direkt beobachten lässt.
Diese Arbeiten wurden unterstützt durch den European Research Council, den Medical Research Council, und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über die Excellence Cluster CIPSM (Center for Integrated Protein Science Munich) und NIM (Nanosystems Initiative Munich), das TUM Institute for Advanced Study und den Sonderforschungsbereich (SFB) 863.
Originalpublikationen:
Xiao-chen Bai, Thomas G. Martin, Sjors H. W. Scheres, Hendrik Dietz. Cryo-EM structure of a 3D DNA-origami object. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, Dec. 4, 2012, 109 (49) 20012-20017; on-line in PNAS Early Edition, Nov. 19, 2012.
DOI: 10.1073/pnas.1215713109
Jean-Philippe J. Sobczak, Thomas G. Martin, Thomas Gerling, Hendrik Dietz. Rapid folding of DNA into nanoscale shapes at constant temperature. Science, vol. 338, issue 6113, pp. 1458-1461.
DOI: 10.1126/science.1229919
Martin Langecker, Vera Arnaut, Thomas G. Martin, Jonathan List, Stephan Renner, Michael Mayer, Hendrik Dietz, and Friedrich C. Simmel. Synthetic lipid membrane channels formed by designed DNA nanostructures. Science, vol. 338, issue 6109, pp. 932-936. DOI: 10.1126/science.1225624
Kontakt:
Prof. Hendrik Dietz
Technische Universität München
Physics Dept., Walter Schottky Institute / ZNN
Am Coulombwall 4a, 85748 Garching, Germany
Tel: +49 (0)89 289 11615
E-mail: dietz@tum.de
Web: http://bionano.physik.tu-muenchen.de
Technische Universität München
Corporate Communications Center
- Patrick Regan
- presse @tum.de
- Teamwebsite