Interview mit Martin Boeker und Dirk Heckmann zu ihrem Vortrag bei den Covid-19 Lectures
„Gesundheitsdaten sind wichtig zur Steuerung der Pandemiebekämpfung“
Welche Rolle spielen Gesundheitsdaten in der Pandemie?
Heckmann: Gesundheitsdaten sind wichtige Informationen zur Beobachtung des Infektionsgeschehens und Steuerung der Pandemiebekämpfung. Dazu zählen etwa eine festgestellte Infektion mit Sars-CoV-2, eine Covid-19-Erkrankung einschließlich ihrer Symptomatik, aber auch Impfreaktionen. Je mehr solcher Daten wir haben und je präziser sie sind, um so wirksamer sind auch die auf dieser Datenbasis ergehenden Maßnahmen.
Inwieweit ist Datenschutz ein Hindernis?
Heckmann: Datenschutz ist überhaupt kein Hindernis für die Pandemiebekämpfung. Denn die Erhebung und Verarbeitung der hierfür erforderlichen Daten nach der Datenschutzgrundverordnung ist erlaubt, gegebenenfalls nach Anonymisierung. Hinderlich ist eher eine falsche Berichterstattung über vermeintliche Datenschutzrisiken – wie etwa bei der Corona-Warn-App. Eine solche Berichterstattung hält Menschen davon ab, sinnvolle Instrumente zu nutzen.
Boeker: Oft wird hier ein Scheinwiderspruch aufgebaut. Aber: Bei modernen IT-Systemen wird für den Schutz der Persönlichkeitsrechte entsprechend des Datenschutzes ein erheblicher Teil der Entwicklungskosten aufgebracht – gut investiertes Geld! Der Datenschutz wird häufig als Sündenbock missbraucht, wenn ein IT System nicht das leistet, was man sich von ihm versprochen hat. Meist liegt jedoch eine mangelhafte Anforderungsanalyse zugrunde.
Wie können Datenschutz und Pandemiekontrolle unter einen Hut gebracht werden?
Heckmann: Datenschutz fordert Transparenz und die plausible, verständliche Erklärung, welche Daten zu welchem Zweck gebraucht und verwendet werden. So soll eine missbräuchliche Datennutzung abgewendet werden. Das ist nicht trivial, aber gut zu leisten, wenn man hier fachliche Expertise und professionelle Öffentlichkeitsarbeit verbindet. Nicht Datenschutz, sondern Desinformation schadet der Pandemiebekämpfung.
Boeker: Vorbereitung ist wichtig! Wir sollten aus dem lernen, was wir in der Pandemie erfahren haben und uns für ein eventuelles nächstes Mal besser vorbereiten.
Live-Stream „Datenschutz im Gesundheitssystem: Hindernis oder Notwendigkeit in Pandemiesituation“ am 5.5. ab 18.15 Uh
Parallel zum Live-Stream auf YouTube besteht die Möglichkeit am Zoom Webinar teilzunehmen.
- Martin Boeker erforscht seit März 2021 verschiedene Bereiche der Medizinischen Informatik und der Digitalisierung im Gesundheitswesen an der TUM. Er ist unter anderem Standortkoordinator des BMBF geförderten DIFUTURE-Konsortiums und leitet das Datenintegrationszentrum am Klinikum rechts der Isar.
- Die Arbeitsgebiete von Alena Buyx, Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien sowie Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, reichen von medizinethischen Fragen aus der klinischen Praxis über Herausforderungen durch biotechnologische Innovation und medizinische Forschung bis hin zu ethischen und Gerechtigkeitsfragen in modernen Gesundheitssystemen. Sie verfolgt dabei einen interdisziplinären Ansatz von „embedded ethics“.
- Dirk Heckmann, Professor für Recht und Sicherheit der Digitalisierung, forscht insbesondere in den Bereichen Datenschutzrecht, IT-Sicherheitsrecht, E-Government und Rechtsinformatik. Seine Arbeit dient seit vielen Jahren der Rechtsgestaltung für einen menschenwürdigen und dem Gemeinwohl dienenden digitalen Wandel.
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- Die Veranstaltung wird moderiert von Prof. Marion Kiechle
Technische Universität München
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