Kreativ in seiner Lehre:
Prof. Klaus Diepold sitzt „mit im Boot“
TUMstudinews: Die TUM belohnt als erste Universität in Deutschland Hochschullehrer, die besonders kreativ unterrichten. Sie gehören dazu und dürfen gerade ein Semester lang mit dem Lehren pausieren. Was machen Sie in Ihren Vorlesungen anders?
Klaus Diepold: Wir ergänzen den konventionellen Frontalunterricht. Die Studierenden müssen aktiv produzieren. Nicht passiv rezipieren. Mir ist wichtig: kreatives, selbständiges Denken. Ich will die Studis mit realen Problemen konfrontieren.
TUMstudinews: Wie bereiten Sie Ihre Vorlesungen vor?
Klaus Diepold: 30% meiner Veranstaltungen sind improvisiert. Ich probiere viel aus. Und stelle dann fest, ob es geht oder nicht. Das bedeutet natürlich auch, Kontrolle abzugeben. Sich von den Studis überraschen zu lassen. Es kann auch mal chaotisch werden. Die Studis sind aber robust, sie halten das aus. 30% sind immer Innovation. Dinge, die mich selbst interessieren. Ich will auch etwas lernen! Ich sitze mit im Lehrboot. Das ist mein Jungbrunnen sozusagen.
TUMstudinews: Wie hat sich das Konzept entwickelt?
Klaus Diepold: Ich habe immer wieder festgestellt, dass bei den Studierenden eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis klafft. Sie haben oft hervorragende theoretische Kenntnisse, tun sich aber in der praktischen Anwendung schwer. Sie können zum Beispiel ein Abtasttheorem theoretisch fehlerfrei darstellen. Wenn sie es aber auf Bildern erkennen sollen, funktioniert das oft nicht.
TUMstudinews: Sie arbeiten mit „aktivierenden Lehrmethoden“, was steckt dahinter?
Klaus Diepold: Meine Frau hat vor einigen Jahren Soziale Arbeit studiert und mir diese Methoden nahegebracht. Zu Hause haben wir viel diskutiert, wie man die Schüler und Studenten mehr mitreißen und begeistern kann. Im Zentrum steht die Idee, dass sich die Lernenden die Inhalte selbst erarbeiten. Wir als Lehrende geben nur Anreize, wir beraten und begleiten sie.
TUMstudinews: Ihre Studierenden arbeiten viel in Teams. Dabei lernen sie schon früh, was es heißt, Aufgaben in einer Gruppe zu übernehmen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Klaus Diepold: In meinen Seminaren zur digitalen Videosignalverarbeitung produzieren die jungen Leute in Teams zum Beispiel 3D-Filme oder entwickeln Software für deren Herstellung. Sie machen keine Rechenaufgaben, bei denen theoretisches Wissen nur reproduziert wird. Schon die Bachelorstudenten entwerfen und implementieren Lösungen für reale technische Aufgabenstellungen, für die es keine Musterlösung gibt.
TUMstudinews: Im neuen Leitbild für Gutes Lehren und Lernen heißt es: „ Studierende tragen Mitverantwortung für ihr Studium, u.a. durch Mitarbeit in Lehrveranstaltungen, deren Nacharbeit sowie konstruktives Feedback.“
Klaus Diepold: Feedback ist mir sehr wichtig. Der direkte Dialog. Und die Studierenden übernehmen auch mal meine Rolle. Sie unterrichten sich gegenseitig. Sie präsentieren einander zum Beispiel ihre Erkenntnisse auf Postern, wie bei wissenschaftlichen Kongressen.
TUMstudinews: Wie kommt Ihre Methodik bei den Studierenden an?
Klaus Diepold: Wir haben eine richtig stabile „Fangemeinde“. 80% bleiben für die Bachelor-Arbeit bei uns. Es sind vor allem sehr engagierte Studenten, die neugierig sind. Aber auch leistungsbereit, denn sich zu engagieren kostet Zeit. Ich bin immer wieder erstaunt, was die Studies alles drauf haben. Da tauchen Talente auf, die sonst im Studium nie zum Vorschein gekommen wären. Einer hat zum Beispiel einen super Kinotrailer zur Vorlesung "Digitales Video" gemacht.
TUMstudinews: Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung der TUM, das Freisemester für Lehre?
Klaus Diepold: Der Preis ist ein hervorragender Schachzug. Es gibt keine „Brownie Points“ für gute Lehre, es gibt Zeit. Zeit ist das größte Geschenk. Das Freisemester ist ein Zeitgeschenk. Ich habe jetzt im Sommersemester keine einzige Lehrverpflichtung.
TUMstudinews: Was tun Sie in Ihrem Freisemester?
Klaus Diepold: Die Vorlesung „Digitales Video“ habe ich gemeinsam mit zwei kongenialen Mitarbeitern, Martin Rothbucher und Christian Keimel, entwickelt. Beide sind vom selben Virus angesteckt wie ich. Jetzt basteln wir an neuen Ideen fürs Wintersemester. Außerdem schreibe ich ein begleitendes Handbuch und entwickle neue Software-Werkzeuge.
TUMstudinews: Wie können Wissenschaftler bessere Dozenten werden?
Klaus Diepold: Hochschullehrer sollten sich viel mehr untereinander austauschen. Wir haben hier am Lehrstuhl etwas Neues eingeführt, den „Lehr-Espresso“. Ganz formlos kommen wir auf einen Kaffee zusammen und tauschen uns übers Lehren aus. Mehr kollegiale Beratung wäre toll. Das Thema Lehre wird kaum thematisiert.
Prof. Dr.-Ing. Klaus Diepold hat an der TUM Elektro- und Informationstechnik studiert und promoviert. Danach war er als Wissenschaftler und Entrepreneur in der Video- und Fernsehindustrie tätig, in München, Oslo und New York. Mehr als zehn Jahre lang hat er MPEG-Standards (MPEG-4, MPEG-A) mitentwickelt. Seit 2002 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Datenverarbeitung der TUM. Als Gastprofessor hat er in Kanada und Australien gelehrt. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat des Center for Digital Technology and Management (CDTM) und im Vorstand des Cluster of Excellence „Cognition for Technical Systems“ (CoTeSys).