• 22.8.2023
  • Lesezeit: 5 Min.

Doktoranden untersuchen im TUM.Africa Talent Program das Jetlag-Syndrom

Von Ghana nach München

Drei Monate lang auf einem anderen Kontinent Forschungserfahrung sammeln – dies ermöglicht die erste Runde des TUM.Africa Talent Program sechs Doktorand:innen aus Subsahara-Afrika. Einer von ihnen ist der Statistiker Emmanuel Owiredu Odame aus Ghana. Mit seinem deutschen „Buddy“ Franz Aschl erforscht er an der TUM, wie es zum Jetlag kommt.

Ein junger Mann erklärt einem anderen etwas an einem Board. Uli Benz / TUM
Die Doktoranden Franz Aschl (l.) und Emmanuel Owiredu Odame verstehen sich sowohl in der Forschung als auch privat.

„Mit diesem Typen würde ich sofort zusammenarbeiten“, dachte sich Emmanuel Owiredu Odame von der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST), als er Franz Aschl über ZOOM kennenlernte. Ihre Doktorarbeitsbetreuer:innen hatten das digitale Treffen arrangiert. Odames zweiter Gedanke war dann: „Am TUM.Africa Talent Program teilzunehmen, ist eine tolle Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern, zu lernen wie Wissenschaft woanders funktioniert.“ Ein paar Monate später saß er im Flugzeug nach München, wo er seinen „Buddy“ Franz Aschl persönlich kennenlernte.

Woher kommt der Jetlag

Seitdem teilen die beiden ein Büro an der TUM in Garching an der Professur für Angewandte Mathematik in Ökologie und Medizin. Hier untersuchen sie gemeinsam das Jetlag-Syndrom. Ein Thema, mit dem Franz Aschl sich schon länger beschäftigt. „In meiner Masterarbeit wollte ich herausfinden, wie die Stärke des Jetlags mit der Zeitverschiebung und dem Schlafrhythmus der Reisenden zusammenhängt“, sagt Franz Aschl.

Damals arbeitete er mit einem bereits existierenden mathematischen Modell, welches berücksichtigt, wie die innere Uhr Reisender von der Zeitverschiebung betroffen ist. Das Modell wurde in den Neunzigern von Forschenden der Bioinformatik entwickelt und basiert auf experimentellen Daten aus Schlaflaboren. „Wir haben dann versucht, das Modell auf das Jetlag-Syndrom anzuwenden“, sagt Aschl. Dafür glich er die Daten aus dem Modell mit Symptomen ab, von denen die Proband:innen berichteten. Es stellte sich heraus, dass es einen Zusammenhang gab. „Ich habe dann das Modell mit Daten zum Jetlag ‚gefüttert‘, was sehr gut funktionierte. Aber hier wurde dann auch die statistische Analyse der Ergebnisse interessant“, erinnert sich Aschl. „Da ich keinen besonders starken statistischen Hintergrund habe, war das wirklich eine Herausforderung“, fügt er hinzu.

Dass genau in diesem Moment das TUM.Africa Talent Program ins Spiel kam, sei wirklich gutes Timing gewesen. Die Doktorarbeitsbetreuer:innen der beiden – Prof. Atinuke Adebanji von der KNUST und Prof. Johannes Müller von der TUM – standen bereits im Kontakt und hatten nun die Idee, sie zusammenzubringen.

Durch unsere Kooperation sehe ich, an welchen Beispielen ich meine Tools anwenden kann.

Doktorand, Nkrumah University of Science and Technology (KNUST), Ghana

Der Lebensstil spielt eine Rolle

Auch der Statistiker Emmanuel Owiredu Odame profitiert von der Zusammenarbeit: „Die Arbeit von Franz hat sehr viel mit meinem PhD-Projekt zu tun“, sagt er. „Ich forsche daran, die Methoden zur sogenannten Multiblock-Datenanalyse zu verbessern. Und der Datensatz, mit dem Franz arbeitet, passt dazu sehr gut. Durch unsere Kooperation sehe ich, an welchen Beispielen ich meine Tools anwenden kann – das ist echt wichtig.“

Wenn Menschen nach einer Flugreise unter Jetlag leiden, kann das unterschiedliche Ursachen haben. „Reisende machen vor dem Flug unterschiedliche Erfahrungen. Und die spielen eine Rolle bei der Stärke des Jetlags“, sagt Odame. „Wenn ich mich nach einer Reise richtig ausschlafen muss, heißt das nicht, dass das nach jeder Reise der Fall sein wird.“ Außerdem berücksichtigen die beiden Doktoranden weitere Charakteristika wie Alter, Geschlecht, Lebensstil und Chronotyp, „also ob man eher eine Eule oder eine Lerche ist“. Danach gleichen Odame und Aschl ab, bei welchen Datenblocks welche Symptome häufig vorkommen.

Damit die beiden so erfolgreich zusammenarbeiten können, haben sie eine umfangreiche Unterstützung vom TUM.Africa Talent Program der TUM Graduate School erhalten: Ein Rahmenprogramm mit Welcome Days, Workshops, der Möglichkeit ihr Projekt zu pitchen, Seminaren, gemeinsamen Ausflügen zu Sehenswürdigkeiten – und in München besonders wichtig: Einer vorab organisierten Unterkunft für die afrikanischen Gastwissenschaftler:innen.

Kulturelle Unterschiede überbrücken

„Ich fand es super, dass wir auch Workshops dazu hatten, welche kulturellen Unterschiede unsere Zusammenarbeit beeinflussen könnten“, sagt Aschl. „Es ist für eine Person aus Afrika sicher hilfreich zu wissen, dass die Kollegen in Deutschland im Büro nicht unbedingt über persönliche Themen sprechen. Beispielsweise ist es wichtig, dass die Person nicht denkt, dass es an ihr liegt, falls im Büro nichts Privates ausgetauscht wird.“

Aschl und Odame haben sich aber trotz kultureller Unterschiede auf Anhieb verstanden. „Die Vorstellung, die ich zu Hause von Deutschland hatte, unterschied sich von dem, was Franz in ZOOM erzählte, als ich noch in Kumasi war. Und was ich dann hier vor Ort erfahren habe, war wieder etwas ganz Anderes“, sagt Odame. Ihre Beziehung sei nicht anders als eine, die er mit einem Menschen aus einem afrikanischen Kulturkreis haben könnte. „Wir können einfach über alles super reden. Wenn ich eine Frage habe, kann ich mich jederzeit bei Franz melden – und mich darauf verlassen, dass er mir hilft.“

Weitere Informationen und Links

Um die Zusammenarbeit mit Forschenden aus Subsahara-Afrika zu stärken, hat die TUM gemeinsam mit der Partneruniversität Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) in Kumasi, Ghana, das Programm TUM. Africa Talent gestartet. Es soll Promovierenden aus Subsahara-Afrika die Möglichkeit geben, an der TUM gemeinsam mit Promovierenden der aufnehmenden Lehrstühle und Forschungsgruppen zu arbeiten. Außerdem soll ein langfristiges Netzwerk entstehen. Dafür bietet die TUM Graduate School in Kooperation mit dem TUM Global & Alumni Office ein begleitendes Rahmenprogramm mit fachübergreifenden Qualifizierungsworkshops, Networkingveranstaltungen und Expert:innengesprächen zum Programmschwerpunkt „Sustainable Global Leadership“ an. Teilnehmende Promovierende von der TUM können zudem eine Mobilitätsförderung für einen Forschungsaufenthalt an einer Partneruniversität in Subsahara-Afrika erhalten. Es sollen jährliche Calls for Nominations folgen.

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